
Sabaton - The Great War
Nuclear Blast / WarnerVÖ: 19.07.2019
Halb so wild
Von der Kneipen-Combo zu einer der momentan größten, zumindest aber einer der kommerziell erfolgreichsten Metal-Bands – das muss man erst einmal schaffen. Doch da der Erfolg auch Neider schafft oder zumindest die alte Weisheit "Viel Feind, viel Ehr'" zum Tragen kommt, sind Sabaton zugleich eine der Bands, die in der Szene am meisten polarisieren. Denn durchgestylt bis in die letzte Faser, mit glatter, bisweilen zu glatter Perfektion, fehlt es den Schweden trotz spektakulärer Live-Shows mittlerweile allzu oft an dem Dreck unter den Nägeln, der für viele zum Metal dazuzugehören scheint. Aber natürlich ist es so: Wenn ein Erfolgsrezept einmal funktioniert, dann ist es nur legitim, dieses auch weiter auszureizen. Und was für die Sakral-Metaller Powerwolf recht ist, darf für die Schlachtenmaler Sabaton nur billig sein.
"The Great War" also. Der Erste Weltkrieg, das furchtbare Gemetzel von 1914 bis 1918. Nicht gerade leichte Kost, die sich die Skandinavier als Konzept für ihr neuntes Studioalbum ausgesucht haben. Wie kann man dieses Grauen, dieses sinnlose Sterben um nur wenige Meter Raumgewinn in den Schützengräben Nordfrankreichs und Belgiens angemessen vertonen? Selbst Motörhead knieten 1991 vor dieser emotionalen Wucht nieder und schrieben mit "1916" seinerzeit ihre erste, zutiefst beklemmende Ballade. Sabaton ficht dies anscheinend nicht an. Denn "The future of warfare" eröffnet das Album mit dem selben adipösen Bombast, der so typisch für die Band ist, auch wenn dieser Opener durchaus düstere Momente zeigt.
Noch mehr als auf dem schon arg grenzwertig poppigen Vorgänger "The last stand" treiben Sabaton ihre Trademarks auf die Spitze. Jede verfügbare Lücke im arg zurückgemischten Gitarrensound wird durch eine Keyboard-Wand zugekleistert, dazu Melodien aus dem Schlagerbaukasten, fertig ist ein Song wie "82nd all the way", der mit Metal nur noch am Rande zu tun hat, ähnlich wie das Reißbrett-Gestampfe "The attack of the dead men", das frappierend an den alten Schlager-Kracher "Dschingis Khan" erinnert. Einzig im Mittelteil mit "The Red Baron" nebst starkem Hammond-Solo oder dem Titeltrack zeigen Sabaton, dass dieser Hochglanz-Metal durchaus vorantreiben kann, auch wenn auch hier der Kitsch nicht weit ist.
Und doch kehrt, wenn man einmal hinter die Kulisse dieses leichtverdaulichen Easy-Listening-Metal schaut, schnell Übersättigung ein. Immer und immer wieder die gleichen Breaks, das ewige Gestampfe ohne nennenswerte Tempo-Variationen – es regiert der Stumpfsinn des Autoscooters. Gänzlich unerträglich wird es dann, wenn man sich nochmals vergegenwärtigt, dass es in den Texten um nicht mehr und nicht weniger als die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts geht. Erst recht vor dem Hintergrund, dass die Schweden Pausen während ihrer Konzerte gerne mit ihren berüchtigten "Noch ein Bier"-Singspielchen zukleistern und damit endgültig so glaubwürdig wirken, als würde Helene Fischer Joan Baez covern. Die Zeiten, in denen ein Album mit Hilfe des Textblatts förmlich studiert wurde, sind vermutlich unrettbar verloren. Aber ein wenig mehr Reflexion darf es schon sein, als auf den Pressefotos im Kampfanzug vor einem Soldatenfriedhof zu posieren. Ja, natürlich: Hinter dem Erfolg von Sabaton steckt harte Arbeit. Unbestritten. Und die Skandinavier haben jedes Recht dazu, auf ihrer Erfolgsschiene weiterzufahren. Zwischen Image und Karikatur ist jedoch nur ein schmaler Grat. "The Great War" überschreitet ihn entschieden zu oft.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The Red Baron
- Great war
Tracklist
- The future of warfare
- Seven pillars of wisdom
- 82nd all the way
- The attack of the dead men
- Devil dogs
- The Red Baron
- Great war
- A ghost in the trenches
- Fields of Verdun
- The end of the war to end all wars
- In Flanders fields
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Unnm
2019-07-22 18:01:51
Haben schon auf einem von den Südtirolern Rockern veranstaltetem Festival gespielt.
Armin
2019-07-20 22:35:52- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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