David Allred - The cell

Erased Tapes / Indigo
VÖ: 14.06.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Après-Surf-Hits

Ausgerechnet in Kalifornien, wo Freizeit vermutlich eher auf Surfbrettern und Skateboards stattfindet, hat sich der Singer-Songwriter und Multiinstrumentalist David Allred ins Studio begeben, um die Fortsetzung von "The transition" aufzunehmen, dem 2018er Debüt bei Erased Tapes. Die Stubenhockerei hat sich ausgezahlt – "The cell" ist betörender Slowmotion-Folk ohne Percussion und oft auch ohne Worte, soft und sperrig zugleich. Gut, dass Allred die Schablone zum Knacken des Codes gleich mitliefert: "The cell is about warmly acknowledging the darkness in our individual lives as a strategic method of gaining a deeper understanding of how to move forward in a vastly dissonant world with optimism, harmony and light." Um Versöhnung geht es also, um innere Ambivalenz und äußere Dissonanz, die West-Coast-Interpretation von Yin und Yang. Diese Zwiespältigkeit findet sich schon im zweideutigen Albumtitel wieder: Die Zelle steht gleichermaßen für die kleinste Lebenseinheit wie für Gefangenschaft, ist quasi Anfang und Ende aller Chancen. Ansonsten sind Differenzen hier rein inhaltlicher Natur, denn "The cell" ist ein kleines, feines ätherisches Stück Musik.

Und wie beinahe alles im Leben beginnt auch der Titeltrack mit einem tiefen Atemzug, bevor Allreds sonores Raunen einsetzt. Seine markante Stimme mäandert und schwebt durch die Oktavenräume und gibt dem Lied so eine geradezu sakrale Anmutung. "Scar tissue in the heart and mind", heißt es hier, und genau so wirkt Musik: Die inneren Narben werden zur Schwingungsmembran. Mit "Mandatory soul" folgt der erste von vier Songs ohne Lyrics, dessen einziges Manko seine Kürze ist. Der Wüstenwind, den Allred mit dunkel tönenden Streichinstrumenten eingefangen hat, hätte noch allerhand erzählen können. "Nature's course" überrascht nach einem eher getragenen Klavier-Intro mit einer Leichtigkeit, die es zum fröhlichsten Stück auf der Platte macht.

Konsequent verzichtet Allred, der alle Instrumente auf dem Album selbst eingespielt hat, auf Frickeleien und hält die Arrangements schlank und schlicht, so auch bei dem Piano-Instrumental "Fading away" und der Vokalise "Full moon", in der seine Stimme zum Instrument und die Synthesizer zum Chor werden. Auch "Family" besteht nur aus Stimme und Klavier und wird im Stil altmodischer Hausmusik mit diskreter Ergriffenheit intoniert – ein universelles Familienporträt. Am Ende des Mini-Albums lässt sich Allred schließlich doch Zeit, immerhin ist der Schlusstrack "Lexington Hills" mit über sechs Minuten der längste auf dem Album. Und da ist sie endlich, die aus "The transition" bekannte Film-noir-Trompete, und wenn sich die Instrumente zum Filmorchester vereinen, wird Loomis, Kalifornien, zur Traumfabrik.

(Claudia Harhammer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mandatory souls
  • Full moon
  • Lexington Hills

Tracklist

  1. The cell
  2. Mandatory soul
  3. Nature's course
  4. Full moon
  5. Fading away
  6. Family
  7. Lexington Hills
Gesamtspielzeit: 23:48 min

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Armin

2019-07-08 20:05:59- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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