
Madonna - Madame X
UniversalVÖ: 14.06.2019
Schrödingers Album
Madonna kann man vieles vorwerfen. Dass seit "Hard candy" künstlerisch nichts mehr so recht gelingen will, zum Beispiel. Auch so mancher Auftritt der jüngeren Vergangenheit sorgte eher für Irritation als für Begeisterung. Abgeschrieben wurde die "Queen of pop" ohnehin schon mehrmals in ihrer bald vier Dekaden umspannenden Karriere. Zeit für den Befreiungsschlag? Wäre es schon lange. "Madame X" wurde als solcher angekündigt. Die erste Single "Medellín" sorgte dann bei den meisten Hörern für Ernüchterung. Trap-infizierter Latino-Pop? Schon wieder oder immer noch? Wobei der Song bei aller berechtigten Kritik durchaus einen hübschen Refrain besitzt. Leider kommt dieser aufgrund der zahnlosen Produktion kaum zur Geltung. Aber gut, eine Single steht bekanntlich nur selten repräsentativ für ein ganzes Album. "Madame X" also, Konzept inklusive: Madonna schlüpft in verschiedene Rollen und nimmt dabei unter anderem in "Dark ballet" Bezug auf Johanna von Orleans. Na dann.
Sollte dereinst der Punkt bestimmt werden müssen, an dem Madonna endgültig jeglichen Kontakt zur Realität verloren hat, dürfte "Madame X" eine prominente Rolle spielen. Das Album ist vieles, wahrscheinlich fast alles, aber garantiert nicht mutlos. So weit draußen hat Frau Ciccone schon lange nicht mehr ihre Bahnen gezogen. Leicht macht sie es dem Hörer nicht. Bereits in den ersten Songs des Albums passieren Dinge, die man nur schwer beschreiben kann. Das eingangs erwähnte "Dark ballet" beginnt als unterkühlter Pop, macht einem ausladenden Klaviersolo Platz und mündet schließlich in eine operettenhafte Coda. Völlig gaga, definitiv anders. Doch das ist erst der Anfang. "God control" fusioniert digitalisierten Gospel mit dem "Erotica"-Sound. Streicher drehen frei, während Madonna flüstert, rappt und singt, ohne dabei einem erkennbaren roten Faden zu folgen. Zusammenhänge ergeben sich im Vorbeigehen. Faszinierend ist das alles aber definitiv.
Ganz schön wirr, das alles. Und doch gibt es einige besondere Momente. "Batuka" ist so einer. Afrikanische Rhythmen vereinen sich mit einer klassischen Madonna-Melodie, das Ergebnis ist ein faszinierender Song. Nun ist Eklektizismus aber kein Qualitätssiegel, was im Verlauf des Albums immer offensichtlicher wird. Besonders störend wirken sich dabei die Beiträge der Protagonistin aus. Nur selten erklingt Madonnas Stimme effektfrei, meist wird ihr Organ bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Schon klar, dass das Absicht ist, aber nur weil man Stilmittel benutzt, ist man kein Dichter. Uninspirierte Heuler wie "Crazy" oder "Future" braucht unterdessen auch kein Mensch. Textlich changiert "Madge" zwischen Belanglosigkeiten, Selbstreferenzen und politischen Aussagen, wobei auch hier nur selten wirklich klar wird, was sie nun eigentlich will. Eine Ausnahme bildet "Killers who are partying", in welchem sie die Kämpferin für alle Unterdrückten mimt. Eine Nummer kleiner ging nicht und das ist auch gut so. Ernste Töne waren schon immer eine heimliche Stärke der Künstlerin. Auch musikalisch weiß der Track zu gefallen.
"I guess I'm lost", verkündet sie in dem nur auf der Deluxe-Edition enthaltenen "Extreme occident" und liefert damit wohl die ehrlichste Aussage des gesamten Albums. Wirklich gelungene Songs wie "Looking for mercy" können nichts daran ändern, dass "Madame X" in erster Linie ein Dokument der Zerrissenheit ist. Es muss Madonna angerechnet werden, diesmal nicht auf Nummer sicher gegangen zu sein. Ein wenig erinnert "Madame X" an das grandiose Missverständnis "American life". Gute Ideen gibt es nämlich in Hülle und Fülle. Beim Versuch, auf allen Hochzeiten mitzutanzen, verzettelt sich die mittlerweile 60-Jährige jedoch heillos. Der künstlerische Anspruch, der in "Dark ballet" oder "Batuka" angedeutet wird, muss spätestens bei "Bitch I'm loca" daran glauben. Auf jede clevere Idee folgt Unsinn, für jede schöne Melodie gibt es einen nervigen Stimmeffekt. Aber das alles ist gar nicht das Problem. Das Problem ist nämlich, dass "Madame X" keinen Spaß macht. Und das muss man Madonna vorwerfen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Batuka
- Killers who are partying
- Looking for mercy
Tracklist
- Medellín
- Dark ballet
- God control
- Future
- Batuka
- Killers who are partying
- Crave
- Crazy
- Come alive
- Extreme occident
- Faz gostoso
- Bitch I'm loca
- I don't search I find
- Looking for mercy
- I rise
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2024-01-25 13:16:34
Irgendwie hat das Album ne angenehme laid back-Atmosphäre. Schade finde ich die nahezu durchweg laufende Entfremdung von Madonnas Stimme. Auf "Rebel heart" war die endlich mal wieder öfter pur zu hören, was ich deutlich mehr mag.
hideout
2020-05-23 10:07:24
Die folgen bei mir direkt dahinter. :)
peppermint patty
2020-05-23 09:36:23
Crave und Crazy (meine Favs)
hideout
2020-05-23 09:33:06
Ziemliches Durcheinander-Album für meinen Geschmack, zuviel Rumgefische in zuvielen Teichen, aber "Come alive" gefällt mir persönlich richtig gut bzw. am besten auf dem Album.
peppermint patty
2020-05-23 08:53:32
Hör grade kaum noch Madonna, meine Phase ist sozusagen durch, aber Madame X hat fast ein halbes Jahr gehalten 7/10
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