Friendship - Undercurrent

Southern Lord / Cargo
VÖ: 14.06.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Kleine Nachtmusik mit Bohrer

J-Pop, K-Pop – der ferne Osten haut momentan arg eingängige Musik mit Plastik-Finish raus, als gelte es, die Welt mit klanggewordenen Speckmäusen in zartem Rosa zuzuschütten. Geht aber auch anders: tiefschwarz und ultrabrutal. Friendship aus Tokio können was in Sachen extremer Gitarrenmusik. Wo Hardcore, einschüchternder Doom und Sludge die Klingen kreuzen, haben diese Japaner ihre Pferdchen am Laufen. Ach ja, das Fieseste aus Punk und Metal gibt sich ebenso die Ehre auf "Undercurrent", dem zweiten Album von Friendship. Der Bandname führt zwar auf die falsche Fährte – Mass Murder oder Appendicitis wäre passender –, aber beschweren sollte man sich nicht, das könnte böse enden. Die Gitarren sind da zum Beispiel so eine Sache. Ganz tief drin im Tinnitus-Bereich werden Feedbacks auf der Folterbank gestreckt, im nächsten Moment aber fräsen und rattern die Riffs am Knochenmark herum, ob nun quälende Zeitlupe oder abartige Hatz entlang der Nervenbahnen. Nein, bequem oder gar behaglich wird sich bei dieser Platte niemand fühlen

Die Schlagzeug-Epilepsie von "Vertigo" sucht dann auch erst gar nicht nach einem Vorwand dafür, dem Hörer die Schädeldecke zu spalten. Es knallt, es bellt, mancher Break gibt noch vor, etwas von komplexen musikalischen Strukturen zu verstehen, doch ist das nur Zufall: "Undercurrent" soll weh tun, ganz, ganz dolle. Vielleicht gehen den ungehaltenen Politikern dieser Welt Abfahrten wie "Punishment" durch den Kopf, bevor sie der Konkurrenz "auf die Fresse" androhen. Denn diese Musik, man beachte zum Beispiel das chaotische Hin und Her von "Lack", macht aus den friedfertigsten Zeitgenossen aggressive Wadenbeißer. Auch Hartnäckigkeit ist eine Qualität der zehn Songs. Es reicht der Wuchtbrumme "Abandon" nicht, die Gitarren mit Vollgas in ein Stahlgewitter mächtig ausholender Grooves zu schicken – nein, ein penetrant überdrehter Hardcore-Part muss auch noch sein.

Bei "Plague" weiß man zum genauso wenig, an wen man sich zwecks Orientierung wenden soll. Im Furor der musikalischen Handkantenschläge verlieren Friendship selbst zeitweilig den Überblick, einen fiesen Druck im Nacken spürt man jedoch jederzeit. Dabei favorisieren die Japaner zwar ein hohes Tempo, manche Gitarren-Schmirgelei kostet aber auch das Ungemach genüsslicher Verlängerung bis ins Schmerzzentrum aus. Und eines ist sicher: Findet man an diesem Gemetzel sein Vergnügen, wird einem das Geräusch des Bohrers beim Zahnarzt in Zukunft ebenfalls wie Himmelsmusik erscheinen. Dabei macht man sogar in Songs wie "Wrecker" nach und nach Unterschiede und Nuancen aus: Oh, das tut weh, mmh, das tut noch mehr weh, oh je, ich brauch Morphium! Versucht das mal mit BTS – bei denen gibt’s nur Magentee und Kuscheltiere.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Vertigo
  • Lack
  • Plague

Tracklist

  1. Demise
  2. Vertigo
  3. Punishment
  4. Lack
  5. Abandon
  6. Fiend
  7. Plague
  8. Garbage
  9. Wrecker
  10. Hatrd
Gesamtspielzeit: 22:56 min

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Armin

2019-06-20 20:56:10- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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