Kill J - Superposition

Nettwerk / Warner
VÖ: 14.06.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Geteiltes Leid

Es gab eine Zeit, da war das Echte, Unverstellte ein hohes Gut. Möglichst authentisch sollten die Künstler sein, Studiotricks waren eher verpönt. Inzwischen aber hat man die Segnungen von Studiotricks wie der Stimmmanipulation als Bereicherung für die künstlerische Ausdrucksweise erkannt und schätzen gelernt. Verfremdungen, Verzerrungen, die den Gesang als etwas Artifizielles erscheinen lassen, gehören in der modernen Popmusik mittlerweile zum guten Ton. Wenn man sich das Debütalbum der Dänin Kill J anhört, kommt man bei all den produktionstechnischen Kunststücken schwerlich aus dem Staunen heraus. Kill J, bürgerlich Julie Aagaard, ist so etwas wie eine freie Projektionsfläche für ihr außerweltliches Songwriting und die Skills ihres Produzenten Liam Howe. Und der hat bereits bei FKA Twigs oder Lana Del Rey für atemberaubende Soundsettings gesorgt. Auf "Superposition" steuert der frühere Sneaker-Pimps-Mastermind eine Instrumentierung bei, die gemeinsam mit dem Verlassen des natürlichen Stimmumfangs dazu führt, dass der Weg vom tiefdunklen Grund des Ozeans hin zu himmlischen Sphären mitunter ein sehr kurzer ist.

Die tonnenschwer in die Schwärze wankenden Percussions von "Entangled" lassen direkt aufhorchen, bevor samtige Synthies und Aagards eher naturbelassener Gesang noch an eine klassische Popballade denken lassen. Der Refrain schießt aber in verletzliche Höhen, die Stimme wirkt wie ein rohes Ei und man bekommt in kristalliner Form eine völlig klare Seelenpein präsentiert: "Stay for a minute / Why did you leave me like that?" Das romantisierte Leiden und eine gewisse Gefühligkeit bilden generell Hauptmotive dieses Albums – auch "Double helix" katapultiert sich über eine melodische Himmelsleiter in die Stratosphäre und hätte als klassische Power-Ballade gute Chancen beim Eurovision Song Contest. Doch es liegt auch immer ein Knistern in Instrumentierung und Gesang, mal rauscht die Stimme in schwindelnde Höhen oder geht in die gruftige Tiefe, manches leiert, anderes wird ins Unendliche potenziert, an seinem angestammten Platz bleibt fast nichts.

"Dead weight soldier" gibt sich dabei eher verspielt: Vielschichtiges Percussion-Geklöppel und eine Hook, in welcher der Gesang fast zu einem reinen Comic-Effekt morpht, sorgen zuerst für Befremdung – spätestens beim zweiten Refrain schnürt man aber bereits die Tanzschuhe. In "Addicted" werden Neo-R'n'B und HipHop auf links gedreht, die Melodien verändern sich beständig, vermitteln mal eine coole Abgeklärtheit, während sie nur einen Moment später ins Aufgedreht-Spielerische kippen. Als ganz großes Highlight entpuppt sich der als kühler Hauch dargebotene Melodiefluss von "Second chance", der seine Emotionalität unter monochromen Klängen verbirgt. Am anderen Ende der musikalischen Skala steht das in Brüchen kommunizierende Bassmonster "Strange fruits of the sea", das die Beats wuchtig raushaut und dank einer Glasur aus verführerischem Sirenengesang zur Falle für alle Pop-Liebhaber wird. Und jene werden zugeben müssen: Auch die Begeisterung für diese Musik ist ganz echt und unverstellt.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Double helix
  • Dead weight soldier
  • Strange fruits of the sea
  • Second chance

Tracklist

  1. Entangled
  2. Cloud chamber
  3. Addicted
  4. Silver spoon
  5. Dark energy
  6. Double helix
  7. Dead weight soldier
  8. Strange fruits of the sea
  9. Cadaver
  10. Six flavors
  11. Second chance
  12. Stutter
  13. Moonsick
  14. Science save us all
  15. This is it rowdy
Gesamtspielzeit: 50:14 min

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MasterOfDisaster69

2019-09-30 18:09:32

"Second chance" is cool. thanks.

cargo

2019-06-13 20:51:57

Warum ist Lana Del Rey denn erste Referenz? Die klingt doch nicht mal ansatzweise ähnlich.

Armin

2019-06-13 20:36:57- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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