Billie Marten - Feeding seahorses by hand
RCA / SonyVÖ: 26.04.2019
Zarter Tobak
Die ganze Pop-Welt redet von Billie Eilish. Schön und gut und auch verdient, weil nicht gänzlich unspannend, die junge Dame. Wir wenden uns nun jedoch einer anderen, ebenfalls mindestens spannenden Billie zu: Marten ist ihr Nachname, melancholischer Indie-Pop für einsame Wein- und Kerzenscheinabende ihr Kernaufgabengebiet und "Feeding seahorses by hand" ihr zweites Album und Anlass für diesen Text. Im sogenannten "echten" Leben heißt Billie Marten eigentlich Isabella Sophie Tweddle, ist zarte 20 Jahre alt und stammt aus dem Norden Englands. Ihr Debütalbum "Writing of blues and yellows" erschien vor drei Jahren, blieb aber hierzulande weitgehend unbemerkt. Den Nachfolger ereilt hoffentlich nicht das gleiche Schicksal, aber wir arbeiten hier und heute ja auch dagegen an. Soll heißen: Wer Feist, Sharon Van Etten oder Weyes Blood mag, findet in Billie Marten einen hoffnungsvollen Anspieltipp für die Zukunft.
Der zarte Opener "Cartoon people" markiert einen prächtigen Einstieg: Die Instrumente sind stimmungsvoll und warm arrangiert, Martens Stimme legt sich wie ein samtener Schleier über den brummenden Bass und das leicht jazzige Schlagzeug. Das folgende "Mice" setzt im Grunde auf die gleichen Soundmerkmale, drückt aber noch deutlicher auf die Tränendrüse, was hier ganz und gar nicht negativ gemeint ist. Im Gegenteil: Billie Marten findet genau das richtige Maß an Melancholie und Drama, um dem Hörer direkt unter die Haut zu gehen. Ihre fragilen Popsongs pendeln zwischen Verzweiflung und Ekstase, erinnern in den lasziven Momenten an Lana Del Rey, in den schattigeren Augenblicken an Amy Millan, Sängerin der einstmals großen Indie-Ikonen Stars. Vergleiche wie diese muss Billie Marten dabei nicht scheuen, denn eigenständig sind ihre Kompositionen in jedem Fall. Hall und Echo, sowie kleine Soundspielereien im Hintergrund lockern die oftmals intensive Stimmung auf.
Besonders erwähnenswert, weil besonders schön ist auch das fünfminütige "Boxes": Hier spielt Marten knackig-markanten Indie-Rock, der insbesondere Freunden von The Cardigans ein Lächeln aufs Gesicht zaubern dürfte. "Feeding seahorses by hand" ist eines jener raren Alben, das in vielen kleinen, intimen Momenten Herzen stocken lässt, weil an ungeahnter Stelle Streicher aufkreuzen, Stimmen sanft brechen, Gitarren besondere Akzente setzen. Da wäre das zart gehauchte "La-la-la" über das Geheule einer sehnsuchtsvollen Western-Gitarre in "Blue sea, red sea". Das verschleppte Tempo im von der Sommersonne geküssten Blues-Pop von "Betsy". Die wunderschöne Dünnhäutigkeit des folkverliebten "Anda", durch die man die Venen und Arterien erkennen kann, bis sich der Song gegen Ende doch noch langsam aufrafft und der eigenen Zerbrechlichkeit ein wenig die Stirn bietet: "I see you, you see me." Wir sehen Dich, Billie Marten, keine Frage, und vor allem hören wir Dir gerne zu.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cartoon people
- Mice
- Boxes
Tracklist
- Cartoon people
- Mice
- Betsy
- Blood is blue
- Blue sea, red sea
- Vanilla baby
- Toulouse
- She dances
- Bad apple
- Boxes
- Anda
- Fish
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Garmadon
2020-04-27 21:41:33
Bin jetzt auch mal dazu gekommen, mir das näher anzuhören.
"Boxes" ist -wie in der Rezension schon angedeutet- (auch aus meiner Sicht) der deutlich stärkste Song. Es gibt aber noch einige weitere gute Songs, wobei es mir stellenweise ein bisschen flotter sein dürfte.
Insgesamt eine schöne Neuentdeckung.
whitenoise
2019-06-01 22:42:51
Eine etwas ausgefeiltere Instrumentierung hätte ihr gut getan. Das Album ist aber ziemlich gut, weil das Songwriting oft kompensiert, was die Produktion nicht schafft.
myx
2019-06-01 14:38:01
Ist mir ein bisschen zu gefühlig und gezwungen melancholisch.
kingsuede
2019-06-01 11:08:41
Guter Tipp. Schönes Album für den Samstagmorgen.
Armin
2019-05-30 20:05:05- Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"!
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