Fatoni - Andorra

Urban / Universal
VÖ: 07.06.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zwischen Menschen

Was haben die Beatles und Fatoni gemeinsam? Klaus Voormann hat sowohl den Fab Four als auch dem Rapper ein Album-Artwork gemalt. Es ist irre: Jeder kennt den leicht unförmigen Opapulliträger mittlerweile. Und jeder scheint diesen Typen zu mögen, der fast immer mit Hut und manchmal nicht nur mit dem Mic, sondern auch mit einer Gitarre auf der Bühne steht. Logisch, der Münchner ist ursympathisch, lustig und begabt. Das merkte die Musikhörerschaft spätestens auf "Yo, Picasso", das er gemeinsam mit Dexter aufnahm. Sein Mixtape "Im Modus" gefiel ebenso und auch, was er mit Mine auf "Alle Liebe nachträglich" ablieferte, machte großen Spaß. Nun ist Fatoni also in der ersten Liga angekommen und "Andorra" ist sein erstes Album als Promi, wenn man so will. Ganz sicher aber ist es das erste Album, bei dem der Rapper Respekt vor dem Scheitern haben muss.

Aber was bedeutet Scheitern in diesem Kontext überhaupt? Nicht abzuliefern, was das Publikum erwartet? Oder nicht abzuliefern, was man selbst als Künstler ausdrücken möchte? Machen wir's kurz: "Andorra" hat Schwächen, wenn es darum geht, den Hörer zu befriedigen. Aber das ist okay, denn dass Fatoni ein launisches Viech und mithin das Gegenteil einer Hit-Maschine ist, das ist aus seinen Texten bekannt. Auf der einen Seite bietet die Platte einige Banger, andererseits finden sich auch seltsame Schrammel-Songs wie "Krieg ich alles nicht hin" auf "Andorra". Der erwähnte Track klingt wie Olli Schulz im Bierrausch, würde dabei viel lieber mit Maeckes konnotiert, aber beides beschreibt es nur unzureichend. Dafür ist die Lyrik eben symptomatisch: Auf Druck antwortet der Rapper mit Abwehrhaltung. Tenor: Ich bin unperfekt, ist schon in Ordnung. Oder auch nicht, lautet der trotzige Abschlusssatz doch: "Ich bin der gottverdammte King" - irgendwie endet Selbstreflexion im Rap-Game immer gleich. Aber der Weg dorthin unterscheidet Fatoni doch ganz angenehm von seinen Kollegen. Musikalisch ebenso aus der Reihe tanzt "Digitales Leben", das der Rapper halb aus dem Off und singenderweise von Bläsern und gezupften Saiten begleiten lässt. Noch mal ein Gruß an Maeckes. Im Closer "OK OK OK" erinnert der englische Refrain an einen Song vom "Free Willy"-Soundtrack. Kann man machen, aber warum eigentlich?

Genug mit dem Gemotze, denn "Andorra" hat durchaus starke Seiten: Die erwähnten Auskopplungen, die beide zudem mit tollen Videos glänzen, sind typische Fatoni-Tracks. "Clint Eastwood" arbeitet sich musikalisch wie textlich wunderbar am Zeitgeist ab, wenn der Trap-Grundbeat durch Gitarrensamples gepimpt wird und dem Rapper ein "Skrrr-skrrr-skrrr" entfleucht. "Die Anderen" kommt mit orientalischen Flöten an und lässt dann vor allem Bass und Gunshots sprechen, während der Text Seitenhiebe an die bigotte Gesellschaft verteilt. Auch "Burj Khalifa" burnt. In dem Casper-Feature merkt man vielleicht am deutlichsten, dass im Hintergrund weiterhin Dexter an den Reglern sitzt, auch weil der Kinderarzt aus Stuttgart immer wieder Wortfetzen einstreut. Auch "D.I.E.T.E.R." mit seinem Piano-Sample macht Spaß: Fatoni parliert über seine größte und vielleicht einzige Gemeinsamkeit mit Dieter Bohlen – ihre Schwärmerei für Paul McCartney. Bewegend ist die Story von "Mitch": In jazzigem Setting beleuchtet der Münchener andere Lebensentwürfe – konkret die derer, die man gemeinhin Junkie nennen würde. Fatoni bewundert nicht, aber respektiert dennoch, wie andere ihren Weg wählen, und setzt mit einer persönlichen Geschichte ein Ausrufezeichen hinter diese Haltung. "Nein nein nein nein nein nein" erklärt ganz gut, was mit Samy Deluxe passiert ist, beleuchtet aber vor allem Fatonis eigene Entwicklung vom 17-Jährigen, der mit einfachen Thesen zu wissen glaubte, wen es zu hassen gilt, zum 34-Jährigen, der feststellen muss, dass die Beschissenheit der Welt viel mehr Nuancen kennt. Gut ist auch die Idee, dem vielbeschworenen Algorithmus eine Ballade zu trällern: In "Wie Du" wird klar: Keiner kennt einen so gut wie dieses Computerdings mit dem komischen Namen.

Der Titel des Albums bezieht sich übrigens auf den sogenannten "Andorra-Effekt", ein sozialpsychologisches Phänomen, das beschreibt, wie Menschen sich permanent in Kontext zur Gesellschaft setzen und dabei über einen gewissen Zeitraum wahrscheinlich auch Haltungen übernehmen, die sie anfangs noch für falsch hielten. Diesen Grundkonflikt trägt Fatoni fast in jedem Song aus. So ist "Andorra" mit Sicherheit das bisher persönlichste Album des Rappers geworden. Pathetisch ausgedrückt: Hier steckt mehr vom Echtmenschen Anton Schneider drin als von der Kunstfigur Fatoni. Dadurch wird die Platte hier und da ein wenig unübersichtlich, vor allem musikalisch ist sie zu unausgegoren multidirektional, um durchgängig zu bleiben, aber sie bildet eben ein inneres Spektrum ab, das nach außen gekehrt wird und dafür auch den jeweils passenden Soundtrack benötigt. Dass Zwischenmenschlichkeit nicht ohne Reibung auskommt, gilt auch im Verhältnis des Musikers zum Hörer. Nicht alles gefällt hier – aber es wäre auch eine Frechheit zu behaupten, dass es das müsste.

(Pascal Bremmer)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Die Anderen
  • Clint Eastwood
  • Mitch

Tracklist

  1. Alles zieht vorbei (feat. Dirk von Lowtzow)
  2. Die Anderen
  3. Clint Eastwood
  4. D.I.E.T.E.R.
  5. Burj Khalifa (feat. Casper)
  6. Digitales Leben
  7. Nein nein nein nein nein nein
  8. Alles cool
  9. Krieg ich alles nicht hin
  10. Ich glaube, mit mir stimmt was nicht
  11. Mitch
  12. Wie Du
  13. OK OK OK
Gesamtspielzeit: 43:17 min

Im Forum kommentieren

Pascal

2019-07-25 01:49:53

Prätentiöse Scheiße kann ich halt, du Lump.

lel

2019-07-24 07:37:34

pascal der alte suppenkasper #zwinkersmiley

Eurodance Commando

2019-07-24 03:34:22

Schei.ß Rezension. Ist ne wirklich gute Platte geworden, deutlich als hier bewertet. Vor allem der letzte Absatz ist echt peinlich: Den Erklärbar mit Wikipedia spielen und, wie auch oben schon zitiert, um den Ganzen natürlich noch die Krone aufzusetzen, prä.tentiöse Sch.ei.ße einbauen.

Pascal

2019-06-03 19:34:30

Hahaha :)

Ich, Rudi

2019-06-03 12:47:05

ich las zunächst "Hier steckt mehr vom Echsenmenschen Anton Schneider drin als von der Kunstfigur Fatoni."

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum