Maps - Colours. Reflect. Time. Loss.

Mute / GoodToGo
VÖ: 10.05.2019
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

... und dann kam Polly

Licht an, Tür zu und los geht's. Oder wie Herbert Grönemeyer einmal den Entstehungsprozess seiner Platten beschrieb: "Ich bin dann im Krieg." Bei James Chapman und seinem Ein-Mann-Projekt Maps handelte es sich von jeher zugegebenermaßen eher um eine Schlacht mit Wattebäuschchen, wie man am diesigen Dream-Pop seiner bisher drei Alben unschwer erkennen konnte. Kein Wunder, dass sich beim Briten schnell eine gewisse, immerhin flauschige Betriebsblindheit einstellte, die zuletzt im arg betulichen Longplayer "Vicissitude" mündete. Auch wenn bei den technisch nahezu perfekten Maps-Songs immer mal wieder verführerische Ohrwürmer wie der technoide Vocoder-Bolzen "Let go of the fear" oder "You will find a way" drinsaßen – rührendes Pappkartonkameraden-Video inklusive. Nagende Irrelevanz durch Eigenbrötlerei. Und dann kam Polly.

Und das hat weder etwas mit Jennifer Aniston noch mit Ben Stiller zu tun. Eigentlich stand nur eine Coverversion im Raum, die Chapman zusammen mit Singer-Songwriterin Polly Scattergood anlässlich des 30-jährigen Bestehens von Mute Records auf die Bühne bringen sollte – doch wenig später wurde das Duo OnDeadWaves daraus, dessen selbstbetiteltes Debüt nicht nur mit dem betörenden Weichstich-Hit "Blue inside" verzückte. Fortan mopste sich Chapman offenbar alleine im Studio, während er The Beach Boys' "Pet sounds" rauf und runter hörte und für "Colours. Reflect. Time. Loss." Stücke schrieb, die schwer alleine umzusetzen waren. Hinein in die gute Stube also – mit Background-Sängerinnen, Schlagzeuger aus Fleisch und Blut, Posaunisten sowie dem durch seine Interpretation von Radioheads "Amnesiac" bekannten Echo Collective.

Zweifelsohne ein Fortschritt – allerdings auch kein Allheilmittel, wenn Songs wie "New star" oder das somnambul vor sich hin mäandernde "She sang to me" trotz einnehmender Orchester-Passagen ein wenig länglich wirken, obwohl sie das gar nicht sind. Was jedoch nicht heißt, dass Chapman gar keine Hummeln mehr im Allerwertesten hätte: "Both sides" markiert nach dem sich filigran steigernden Opener "Surveil" bereits die bestmögliche Verbindung, die unruhiger Motorik-Beat und opulent hineinschwappende Streicher eingehen können, ohne sich gegenseitig auszubremsen. Und da wir gerade bei Radiohead waren: "Howl around" punktet selbstredend nicht durch entfesseltes Geschrei, demonstriert dafür aber umso besser, wie "Creep" mit semi-klassischen Shoegaze-Mitteln statt mit bissiger Gitarre und F-Wort klingen könnte – gar nicht mal so übel.

Und da ist auch schon "Just reflecting", die in sehnendem Brüten versunkene, kleine Indie-Pop-Köstlichkeit, bei der Chapman mit seinem so wohltuenden wie leicht lakonischen Gesang sämtliche Wogen glättet, bevor sie allzu hoch schlagen können. Die wohltemperierten Bläser und kosmischen Keyboard-Wälle übertrifft nur noch "Sophia", einer dieser weltvergessenen Schmachtfetzen voll marmeladenfarbener Schwärmerei, die zwingend einen möglichst klangvollen Frauennamen im Titel tragen müssen – ernstzunehmende Konkurrenz für "Elouise" von "We can create" oder auch für Talk Talks "Renée". Kitsch kann nämlich etwas ungemein Trostreiches sein, sodass der Hörer trotz gelegentlicher Überdosierung tunlichst seinen Frieden mit diesem Album machen sollte. Und wer weiß: Vielleicht steht Polly ja bald wieder vor der Tür?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Both sides
  • Just reflecting
  • Sophia

Tracklist

  1. Surveil
  2. Both sides
  3. Howl around
  4. Wildfire
  5. Just reflecting
  6. She sang to me
  7. Sophia
  8. The plans we made
  9. New star
  10. You exist in everything
Gesamtspielzeit: 48:04 min

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Armin

2019-05-23 20:01:52- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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