Linda Vogel - Maps to others

Radicalis / Soulfood / TheOrchard
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Kunstobjekt Herz

Einfach mal dankbar sein. Dafür, dass der Hörer bei der Schweizerin Linda Vogel nicht zwischen Kopf und Herz entscheiden muss. Klar, erstmal denkt der Leser von Plattentests.de vielleicht: Just another Harfentrulla! Aber die abwehrende Haltung könnte bald der Begeisterung weichen. Denn die junge Dame, die der Harfe dank diverser Effektgeräte so manch skurrilen Ton entlockt, weiß, wie sie ihr Songwriting mal intellektuell edgy auflädt, aber auch, wie man das zarte Sentiment anspricht, manchmal auch bunt durchgemischt in einem einzigen Song. So wandelt der Eröffnungstrack "Saria" auf sinisteren Wegen, die von eingeschwärzten Percussions noch mal eine Stufe tiefergelegt werden, nur um dann einen Seerosenteich aus Harfe und Hall zu befüllen, das Düstere flirtet mit dem Lieblichen und man weiß schon, hier wird einiges verquer gehen.

Auch "Mothers never die" macht so manche Mutation durch, vom harmlosen Wiegenlied hin zur arschcoolen Breakbeat-Monstranz. Alles hat hier seinen Platz, seine Berechtigung und generell können Hell und Dunkel auf diesem Album ziemlich gut miteinander. Das weichgezeichnete "No man is an island" ist dann eher Gefühlssache als abgezocktes Statement, urlaubsgestärkte Aloha-Gitarre trifft auf einen säuselnden Gesang nah am Herzen. Trotz kunstbeflissener Ironie fühlt man sich da einfach wohl und wippt zum markanten Beat mit. Apropos einprägsam und nahbar: Die Klaviermelodie von "Let the dragon fly" ist wie ein Märchen, bei dem man trotz besseren Wissens bangt, ob das Ganze gut ausgeht. Der dazugehörige HipHop-Gestus weiß auch keine schlüssige Antwort und überhaupt hängt man bei Vogels Inszenierung zwischen einer mütterlichen Umarmung voller Wohlwollen und einem Vamp, dressed to kill.

Ein kluger Kniff Vogels ist es dabei, immer wieder etwas Nahbarkeit durchscheinen zu lassen, etwa in der wehmütigen Melodie von "Relationship statistics". Sanft berührt, weiß der Hörer dann, die eher abstrakteren Momente mit der nötigen Distanz zu nehmen. Beispielsweise das kühle, abgründige Brodeln von "There are no problems, only secrets". Man will und muss bei Linda Vogel alles nehmen, wie es kommt, sei es die Synth-Pop-Leichtigkeit von "Exclusive deal" oder das Rotwein-rote Atmosphären-Stück "Dasii" in heimatlicher Sprachfärbung. Am Ende ist man nämlich gewiss: Diese Harfentrulla hat gleichzeitig ein unheimliches Gespür für die künstlerische Inszenierung als auch für die simple Sprache des Herzens.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • No man is an island
  • Relationship statistics
  • Dasii

Tracklist

  1. Saria
  2. Mothers never die
  3. No man is an island
  4. Let the dragon fly
  5. Relationship statistics
  6. There are no problems, only secrets
  7. Exclusive deal
  8. Dasii
  9. Descriptions and belongings
Gesamtspielzeit: 31:04 min

Im Forum kommentieren

Underground

2019-06-08 11:17:51

Oh, da ist ja dsa Debut-Album.

Hat mich damals als Vorband der Grandbrothers sehr positiv überrascht...

myx

2019-05-31 09:43:14

Auch eine schöne (Kurz-)Besprechung dieser beachtenswerten Musik findet sich in der NZZ: Harfe 2.0

Fußballtrottel unter sich

2019-05-19 11:19:05

Woll'n wa Fußi kuck'n geh'n?

Pasta

2019-05-19 09:49:24

Martin, bist du dir darüber im Klaren, dass die "Monstranz" ein Oblatenständer ist?

myx

2019-05-18 22:45:38

Das Album hat was, treffende Rezi dazu. Schöne Entdeckung!

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