Parekh & Singh - Science City

Peacefrog / Rough Trade
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Wachsein fetzt dank Dream-Pop

"The city that only sleeps" – so beschreibt Nischay Parekh von Parekh & Singh in einem Interview seine Heimatstadt Kalkutta. Tote Hose also in der Millionenstadt, aber je toter die Hose, desto größer das Bedürfnis nach kreativen Ausbrüchen. Und so konnten Parekh (Gesang, Gitarre, Synthesizer) und Jivrai Singh (Drums, Electronics) einander in der überschaubaren Szene von Kalkutta glücklicherweise nicht verfehlen. Seit 2011 machen sie zusammen Musik, 2016 erschien ihr Debüt-Album "Ocean".

Vom Ozean in die Stadt: In Kraftwerk-Posen spielen Parekh & Singh auf dem Cover von "Science city" mit dem aseptischen Androiden-Look, ihre Musik ist jedoch alles andere als steril, blutleer und seelenlos, sondern vielmehr die gelungene Vereinigung von Mensch und Maschine. Kunstvoll schichten die kongenialen Architekten einer Stadt der Synthesizer hier Vocals, Sounds und Beats übereinander. Nun hat es Schönheit dieser Tage ja wirklich nicht leicht, zollen doch viele dem Zynismus geradezu gewohnheitsmäßig Tribut wie einer unaussprechlichen aztekischen Gottheit. "Science City" ist einfach schön, und das ist total in Ordnung, denn seine Schönheit ist radikal und konsequent und alles andere als klebrig, gefallsüchtig oder naiv.

"Sunbeam", "Down at the sky", "Hello" und "Evening sun" betören durch die Dreifaltigkeit aus Parekhs weicher und gleichzeitig souveräner Stimme, Singhs beachtlichen Schlagzeug-Skills und dem Kontrast von Melodie und Botschaft. Der bittersüße Walzer "Summer skin" könnte so auch in "La boum" und "The virgin suicides" zu hören sein. Der Schluss gehört ganz allein der Stimme und Gitarre: "There’s no Woody Allen film that can slow down time / Oh, time … Time’s a waste of life." Schöner kann Nihilismus kaum klingen. "Be something" ist quasi die optimistische Antithese zu "Summer skin" und eine soulpoppig verpackte Aufforderung, sich zu verschwenden. "Monkey" hat Trip-Hop- und D’n’B-Anleihen, Videospiel-Vibes und zappelige Dubstep-Beats: der innere Affe im Zuckerrausch. Parekhs Stimme erinnert bisweilen an Neil Tennant von Pet Shop Boys, ist aber dennoch unverwechselbar. So schmachtet er in "Forward slash" in bester Crooning-Manier.

Wie die übrigen Tracks ist auch "Surgeon" so eingängig wie kryptisch, endet dafür jedoch mit einem Synthesizer-Solo, für das Daft Punk sofort ihre Helme verschachern würden. Die Melancholie, die sowieso alle Songs auf "Science City" umwölkt, kulminiert in "One hundred shadows", einer spärlich instrumentierten, aber atmosphärisch dichten Geisterbeschwörung: "All the demons knew my name / All the questions were the same."

Parekh & Singh machen dort weiter, wo andere Dream-Pop-Bands Anfang der 2000er desertierten. Wachsein fetzt dank Dream-Pop, der Verbindung zwischen oben und unten, Erdung und Epiphanie zugleich. Falls Air 2019 kein zweites "Moon safari" droppen, ist "Science City" eine wundervolle Alternative. Und dann folgt noch dieses "Crystalline" als nonchalantes Schlussstück mit smoother Orgel, das völlig zu Recht zur ersten Single-Auskopplung auserkoren wurde. Man wird mit diesem Bigger-than-Life-Gefühl entlassen, einer Wegzehrung, die mindestens so nahrhaft ist wie Muttis Brote.

(Claudia Harhammer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Summer skin
  • One hundred shadows
  • Crystalline

Tracklist

  1. Sunbeam
  2. Down at the sky
  3. Hello
  4. Summer skin
  5. Be something
  6. Evening sun
  7. Monkey
  8. Forward slash
  9. Surgeon
  10. One hundred shadows
  11. Crystalline
Gesamtspielzeit: 37:29 min

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Armin

2019-04-25 20:40:57- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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