Bailen - Thrilled to be here

Concord / Caroline / Universal
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Oh brother, where art thou?

Meta-Ebenen, Diskursivität und soziokultureller Kontext scheinen heute das zu sein, was für den szene-affinen Musikliebhaber von Bedeutung ist. Mit flammenden Herzen vorgetragene Leidenschaft und Emphase erscheint da eher peinlich, als etwas, das es zu überwinden gilt. Es wäre dabei spannend, zu sehen, wie heute ein "Funeral" von Arcade Fire von der Musikwelt rezipiert werden würde, ob es die gleiche Begeisterung auslösen würde, zumindest fraglich ist das. Vielleicht sind es schwere Zeiten für eine Band wie Bailen, doch dieses Geschwistertrio pfeift drauf, volle Kraft voraus mit dem Antrieb völlig unironischer Emotionalität. Möglicherweise ist dies eine Rockgruppe, die man mal wieder unumwunden gern haben kann, einfach mögen, und tolle Annekdoten weist sie auch auf. Da willigte das ältere Zwillingspaar Daniel und David Bailen erst ein, dass ihre Schwester Julia der Band beitreten dürfe, als diese ihre Zahnspange loswurde. Doch neben Frotzeleien unter Geschwistern gab es auch das enge Band zwischen den dreien, als Daniel für ein Engagement im Londoner West End die New Yorker Heimat verließ. Flugs zogen die verbliebenen Geschwister hinterher, damit das Bandleben von Bailen weitergehen konnte. Darauf folgten eine Unzahl an Konzerten und letztendlich dieses Debütalbum "Thrilled to be here", ausgestattet mit ganz viel Leidenschaft, Ihr ahnt es schon.

Wenn der im emotionalen Breitbild aufwallende Folkrock des Openers in dem Geständnis "Something tells me / I could fall in love with you" mündet, will der Hörer entflammt mit einstimmen, auch wenn es im eigenen Leben vielleicht gar keinen passenden Adressaten dafür gibt. Aber man mag bei dieser Musik, die sich gerne locker aufbaut, um dann in einen gefühsbetonten Strudel gesogen zu werden, mitschwelgen und darben. Denn Bailen schaffen es, Herzensdinge mit süßer Nostalgie einzufärben, sodass es manches Hach und Ach gibt. Apropos Nostalgie, solche Musik ist selten zeitgenössisch, dafür aber zeitlos, unter anderem, weil hier unumstrittene Referenzen zum Tragen kommen. Wenn jemand zum Beispiel Fleetwood Mac ins Spiel bringt, hat das eine gewaltige Berechtigung. Ob es der mehrstimmige Geschlechtermix im Gesang ist oder die Instrumentierung, die oftmals aus einem soften Tändeln in zugespitzte, dramatische Momente überwechselt, das kennt und mag man. Aber auch Simon & Garfunkel oder Carole King sind willkommene Projektionen in diesen warmen, kraftvollen Songs.

Immer wieder begegnet man einer genüsslichen Verzweiflung, "How could I let you go / When your love is all I know?", die sich in kleinen melodischen Wirbelstürmen ein Ventil sucht. Dabei sind die Stücke zwar weich und zart an der Oberfläche, manches kickt aber gewaltig, wie der rustikale Groove von "Bottle it up", der in einen derart die Freiheit herbeisehnenden Refrain übergeht, dass man nur noch wehende Fahnen und brechende Wellen sieht. In dem zunächst ruhig kreiselnden "Stand me up" sendet Julia Bailen sachte Gesangswellen aus, die später an einem selbstbewussten Rock-Crescendo zerschellen. Die zweite Albumhälfte hält sich dann ein wenig zurück mit spektakulären Situationen, eher pendelt "Eyelashes" genügsam dahin, nicht jedoch ohne luftigen Zauber, und "Careless wishing" lässt sogar Erinnerungen an den soften Hauch der Carpenters aufkommen. Man merkt, dass sich Bailen wohl dabei fühlen, ihre Musik aus der Mitte der Popgeschichte heraus zu entwickeln. Doch statt allwissendem Referenzen-Abarbeiten tragen die drei Geschwister dieses musikalische Erbe mit Leidenschaft weiter, es gibt ja vielleicht immer noch musikalische Herzen, die im Sturm erobert werden wollen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Something tells me
  • Your love is all I know
  • Bottle it up
  • Careless wishing

Tracklist

  1. Something tells me
  2. I was wrong
  3. Your love is all I know
  4. Bottle it up
  5. Stand me up
  6. Going on a feeling
  7. Stray dog
  8. Eyelashes
  9. Not gonna take me
  10. Rose leaves
  11. Careless wishing
Gesamtspielzeit: 43:01 min

Im Forum kommentieren

Horsti

2019-04-20 13:25:29

Was für ein altbackener Murks ist denn das? Ist das Zeitalter des öden schnarchnasigen Biedermannrock ala Mumford&Sons nicht bald vorbei? Kann man ganz gut zum Ja gendgottesdienst hören, das ears dann aber auch

Armin

2019-04-18 22:09:05

Sehr sympathische und liebenswerte Band jedenfalls.

Otto Lenk

2019-04-18 22:00:32

Sind denn Fleetwood Mac wieder auferstanden? Zumindest klingt das, was man auf Spotify zu hören bekommt, nicht schlecht.

Armin

2019-04-18 20:57:01

Frisch rezensiert.

"Album der Woche"!

Meinungen?

Armin

2019-03-17 22:33:01



Die beiden Vorab-Songs finde ich richtig stark, bisschen Fleetwood Mac, aber sehr eigen. Album-VÖ 26.04.

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