Peter Doherty & The Puta Madres - Peter Doherty & The Puta Madres

Strap Originals / Cargo
VÖ: 26.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

From lovers

Alle Zeichen stehen auf Neuanfang. Peter Doherty hat eine neue, lieber unübersetzt bleibende Band, mit der zusammen er so viel Spaß hat, dass sie ihr selbtstbetiteltes Debüt komplett live bei einem gemeinsamen Aufenthalt in der Normandie aufnahmen. Er hat auch eine neue Liebe, die französische Filmschaffende Katia De Vidas, die bei den international besetzten Puta Madres Klavier und Keyboard spielt. Dazu sieht man jetzt, schenkt man diversen Konzertberichten Glauben, einen erfreulich gesund aussehenden Peter, der mit seiner Freundin liebevolle Blicke austauscht und auch mal seine Hunde mit auf die Bühne holt. Wer erwartet hat, einer der namhaftesten britischen Barden würde in der Hochphase des Brexit zum Rundumschlag gegen sein Land ausholen, wird von "Peter Doherty & The Puta Madres" wohl enttäuscht sein. Doherty klingt hier so, als sei er mit sich und der Welt voll und ganz im Reinen.

Eine rotzige Terror-Abrechnung wie zuletzt "Hell to pay at the gates of Heaven" gibt es dieses Mal also nicht – "zum Glück", muss man in Dohertys Richtung natürlich ergänzen, weil er nicht noch einen in seiner unmittelbaren Nähe verübten Anschlag verarbeiteten muss. Stattdessen findet er in "Paradise is under your nose" etwas, das er eigentlich nie suchen musste: "Don't go too far / Stay right where you are / The joy is wherever you go / And paradise is under your nose." Im Duett mit Puta-Madres-Gitarrist Jack Jones zelebriert der frisch 40-Jährige nicht nur sein neues Lebensglück, sondern auch die Band-Freundschaft. Musikalisch ist der Song als getragene Piano-und-Streicher-Ballade nicht unbedingt repräsentativ für das sonst ungleich flottere Album, wohl aber in seiner selbstzufriedenen Wärme. Bessere Songs hat Doherty schon geschrieben, einen schöneren jedoch noch nicht.

Hardcore-Fans werden die meisten Stücke zwar schon aus den Live-Auftritten der letzten 18 Monate kennen, doch der Clou ist der homogene, vollendete Sound, dem keine demoartigen Brüche wie auf dem Quasi-Vorgänger "Hamburg demonstrations" mehr innewohnen. Nicht einmal "Someone else to be" wirkt hier wie ein Fremdkörper, Dohertys Interpretation von The Velvet Undergrounds "Ride into the sun", in der er irgendwie auch ein paar Zeilen von Oasis' "Don't look back in anger" unterbringt. Einzig bei der Single "Who's been having you over" besteht die Gefahr, sie sich vorab schon überhört zu haben. Sie ist aber auch einfach zu verdammt gut, ein astreiner Garagenrock-Hit, verfeinert von De Vidas' schweren Orgel-Anschlägen. Das freudige Zusammenwirken der Puta Madres stellt sich indes im tollen Opener "All at sea" und "The steam" am besten heraus – beide mehr Jams als Songs, in denen neben den Gitarren vor allem Violinistin Miki Beavis groß aufspielt.

Die Aufnahmen an der französischen Küste lockerten nicht nur die Stimmung innerhalb der Band auf, das Flair eines aus der Zeit gefallenen, sommerlichen Fischerdorfs überträgt sich auch wunderbar auf die Musik. Am deutlichsten geschieht das in "Travelling tinker" mit seinem mitreißenden Pubrock-Chorus, der sich auch perfekt von angeschickerten Seemännern intoniert vorstellen lässt. Diesem mächtigsten Song der Platte tut das aber auch etwas Unrecht, immerhin ist er ein zwischen laut und leise stürmender Siebenminüter mit einer wahnsinnigen, instrumentalen Klimax. Bis zu diesem Zeitpunkt vermutet man noch eins von Dohertys größten Meisterwerken überhaupt, doch leider fällt das letzte Albumdrittel auf hohem Niveau ein kleines bisschen runter. Einzig "Shoreleave" hüpft gen Ende noch in die Highlights, Bassist Michael Bontemps singt hier den schwebenden Refrain, während der Rest der Truppe für ihn die Zeit anhält. Ein erhabener Moment, aber auch ein schwerer Brocken für alle The-Libertines-Fans: Dohertys Herz ist aktuell sicher nicht bei seiner alten Liebe.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Who's been having you over
  • Paradise is under your nose
  • Travelling tinker
  • Shoreleave

Tracklist

  1. All at sea
  2. Who's been having you over
  3. Paradise is under your nose
  4. Narcisstic teen makes first XI
  5. Someone else to be
  6. The steam
  7. Travelling tinker
  8. Lamentable ballad of Gascony Avenue
  9. A fool there was
  10. Shoreleave
  11. Punk buck bonafide
Gesamtspielzeit: 50:09 min

Im Forum kommentieren

derdiedas

2019-09-21 15:18:10

"Who's Been Having You Over" ist mein Sommersong 2019, Album ist auch schön, man merkt ihnen die Spielfreude richtig an.

Ich muss mich dann mal in die Babyshambles- und Libertines-Untiefen stürzen, das war musikalisch nie so meine Ecke, aber ich hab da wohl was verpasst

Thanksalot

2019-07-14 21:25:20

"Shoreleave" ist gut, aber "Travelling Tinker" wäre dann wohl mein absolutes Highlight. "All At Sea" und "Who's Been Having You Over" sind auch super. Generell ein schönes Album. Doherty und die Band spielen schön beschwingt daher, manchmal etwas zu sehr wie etwa in "Lamentable Ballad Of Gascony Avenue" oder "A Fool There Was". Aber ansonsten ganz ordentlich. An die ersten beiden Libertines kommt es aber nicht heran.

7/10 passt.

Rote Arme Fraktion

2019-05-23 18:16:12

Shoreleave ist mein bisheriger Song des Jahres. Nimmt es mit jeder Libertines-Hymne spielend auf.

2plus2gleich5

2019-05-14 16:39:42

Stimmt, eine sehr positive Überraschung, vor allem die erste Hälfte ist richtig stark. Der dezente irische Einschlag steht ihm auch ausgezeichnet. Wenn er durch die Songs holpert und hinter ihm die Fiddle aufgeht, treffen die zwei Doherty-Pole perfekt aufeinander.

Rote Arme Fraktion

2019-05-14 14:37:07

Wohl der beste Output von Doherty außerhalb der Libertines.

Herrlich beschwingt und rotzig.

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