FACS - Lifelike
Trouble In Mind / CargoVÖ: 29.03.2019
Entkernte Verwandte
Da haben Disappears ihrem Namen wirklich alle Ehre gemacht: Nach fünf Studioalben waren sie dann mal weg. Was irgendwie folgerichtig erschien: Hatte sich "Pre-language" noch als stampfende, wiewohl ausgesucht knurrige Gitarrenplatte präsentiert, blieb davon zuletzt kaum etwas übrig. Jedenfalls mochte man meinen, nach "Irreal", einem aufgeworfenen Ungetüm aus hypnotischem Industrial-Dub und bis aufs Letzte dekonstruiertem Post-Punk, könnte nicht mehr viel kommen. Doch weit gefehlt: Auch als Bassist Damon Carruesco ausgestiegen war, hatten Brian Case und Kollegen noch lange nicht fertig, benannten sich kurzerhand in FACS um und machten 2018 auf "Negative houses" im gleichen verbissenen Sinne weiter. Ein Jahr später hat auch Gitarrist Jonathan van Herik seinen Hut genommen, wofür mit Alianna Kalaba wiederum eine neue Bassistin am Start ist – Besetzungswechsel, die der grimmig entschlossenen Vehemenz dieses an Besetzungswechseln so reichen Bandgefüges auf "Lifelike" nichts anhaben können.
Denn auch hier treiben Case, Kalaba und Drummer Noah Leger die Entkernung der Rockmusik unbeirrt voran – mit windschiefen Sonic-Youth-Texturen, wuchtig um sich selbst rotierendem Schlagzeug und Vocals, die FACS' Soundbrachen schnarrend kommentieren. Die Darreichungsform ist bekannt: überschaubare Titelliste, ein monströser Longtrack, moderate Spielzeit – und trotzdem ist der Hörer bereits nach der Auskopplung "In time" nass geschwitzt, wenn fein gesetzte Licks an paukenden Reverb-Beats entlangschaben und die Gitarren eine Sorte Twang ausdünsten, die in dieser bedrückenden Umgebung beinahe als frenetisch durchgeht. "XUXA" könnte sogar flockiger Psych-Pop sein, würde Case seinem Gegenüber nicht mit einem spröde hervorgepressten "Choose between always now or nothing" die Pistole auf die Brust setzen. Und wäre die buckelige Verwandtschaft von Preoccupations auf dem Dengel-Intro von "Espionage" hängengeblieben, würde das ähnlich klingen wie "Loom state". Post-Punk? Na ja – fast.
Und da ist er auch schon, der monströse Longtrack in der Tradition des Stalker-Schwelbrandes "Ultra" oder des in aggressivem Gebläse verpuffenden "Houses breathing" vom Vorgänger: "Total history" dauert zwar geschlagene achteinhalb Minuten, benötigt zu Kalabas unheilvoll grollendem Bass, eskalierendem Trommelfeuer und zornigen Riffs aber nicht viel mehr Worte als "Nothing to say, burn it down, get out", um den Müllhaufen der Geschichte in einem finalen Inferno abzufackeln. Instrumente, Stimme und alle Drones der Welt verschmurgeln in bösartiger Distortion – so viel Krach war bei FACS wie auch bei Disappears selten. Und aufmerksame Leser und / oder Hörer werden bereits auf den Trichter gekommen sein: Um dieses bohrend konsequente Album aufzunehmen, hätten sich Case und Leger nicht zwingend einen neuen Bandnamen zulegen müssen. Dass sie es trotzdem getan haben, zeugt immerhin von rührendem Pflichtbewusstsein gegenüber ihrer künstlerischen Identität – und "Lifelike" von großer musikalischer Vision.
Highlights & Tracklist
Highlights
- In time
- Total history
Tracklist
- Another country
- In time
- XUXA
- Anti-body
- Loom state
- Total history
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Armin
2019-04-11 12:13:21- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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