Jade Bird - Jade Bird

Glassnote / AWAL / Kobalt / Rough Trade
VÖ: 19.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Rückkehr der Neunziger

Irgendwer muss vor Kurzem beschlossen haben, dass die Neunziger nun lange genug her sind, um mit der nostalgischen Rückschau zu beginnen. Hat man sich an das Jahrzehnt bisher vor allem leicht beschämt (auf Grund der für heute fast unvorstellbaren Mode) oder gar nicht erinnert, fangen Filmschaffende und Musikmachende langsam an, sich ihre Inspirationen in den Jahren 1990-1999 zu suchen. 2016 zeichnete die grandiose erste Staffel von "American Crime Story" den Fall O. J. Simpson nach und ein Sittengemälde der Neunziger gleich mit. Dieses Jahr blickte Jonah Hill in seinem Regie-Debüt "Mid90s" auf seine Jugendjahre zurück. Alte HipHop-Helden wie die Beginner formieren sich erneut und machen Oldschool-Rap wieder populär. Selbst Eurodance-Hits wie "What is love" oder "Mr. Vain" erfreuen sich leider wieder größerer Beliebtheit. Jade Bird beginnt nun, den mit Folk- und Country-Versatzstücken ausgestatteten Neunziger-Pop à la Alanis Morissette für eine Wiederentdeckung zu entstauben. Das funktioniert – entgegen aller Erwartungen – verdammt gut.

Die wilden und verträumten Aspekte, die ihre 2017 erschienene Debüt-EP "Something American" noch durchzogen, scheinen durch eine Behandlung mit dem Pop-Bügeleisen zwar größtenteils verloren gegangen zu sein, dafür hat die Britin an Klarheit und Spritzigkeit gewonnen. Das zeigt sie schon in "Ruins", dem Opener, der sich anfangs ganz auf Birds simples Gitarrenspiel und ihren kräftigen Gesang konzentriert, bevor sich in der zweiten Hälfte ein Schlagzeug dazu gesellt. "One minute I love you and the next it's all in ruins / One minute thinking of you and the next it's all in ruins", singt sie und steckt den thematischen Rahmen des Albums damit fast schon ab. Entweder ist sie Hals über Kopf verliebt oder verarbeitet eine Trennung. In "I get no joy" röhrt sie unheimlich schnell Worte aneinander und entlädt ihre Klage darüber, nie zufrieden zu sein, in einen wunderbar eingängigen Refrain, der auch von Shania Twain stammen könnte.

Zwischen den gitarrenlastigen Stücken finden sich auch einige Klavierballaden, die nicht weniger Ohrwurmpotenzial haben. "All this sorrow will be gone tomorrow / That's my motto" heißt es in "My motto", und selbst, wenn das auf den ersten Moment zu banal und simpel klingt, um zu funktionieren – es funktioniert ganz fantastisch. Mit ihrem Gespür für launige Melodien und ihrem druckvollen Gesang bietet sich Bird als gern gesehene Abwechslung im Formatradio an. Die schönste dieser Balladen ist allerdings "If I die", das ganz auf Klavier und Gesang reduziert ist und Bird von ihrer gefühlvollsten Seite zeigt. Die Zeile "If I die put me in a song / Tell everyone how in love I've been" ist besonders ergreifend. Das Highlight des Albums ist aber "Uh huh", in dem Bird an Elle King erinnert und sich über einer energievoll angeschlagenen Westerngitarre über eine scheiternde Beziehung auslässt, die sie von außen beobachtet. "She's got you on your knees like a little boy / Everybody sees that you're just a little toy" ist vielleicht einer der simpelsten Reime auf dem Album, aber auch einer der effektivsten. In einem so schönen Gewand können die Neunziger gerne zurückkommen.

(Simon Conrads)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ruins
  • Uh huh
  • Good at it
  • If I die

Tracklist

  1. Ruins
  2. Lottery
  3. I get no joy
  4. Side effects
  5. My motto
  6. Does anybody know
  7. Uh huh
  8. Good at it
  9. 17
  10. Love has all been done before
  11. Going gone
  12. If I die
Gesamtspielzeit: 35:10 min

Im Forum kommentieren

Matjes_taet

2021-05-11 14:08:32

Damals hieß die noch "English" Ich schwör. :D

Matjes_taet

2019-04-15 14:31:11

Nachdem mein Thread zu Jade Bird dem nörtzschen Löschwahn zum Opfer fiel, schreib ich es halt hier nochmal:

Freue mich auf das Album, alles bisher veröffentlichte gibt jedenfalls musikalisch mehr her als die vieldiskutierte Billie English oder gar Lena.

Schön, das Simon "Uh Huh" ebenfalls hervorhebt, wirklich ein Klasse-Song. Kurz,prägnant und mitreissend.
https://www.youtube.com/watch?v=Dx4CQa5tHaI

Das Johnny Cash Cover von "I've Been Everywhere" hätte es von mir aus auch auf das Album schaffen können.

Der Freitag 19.04. ist jedenfalls vorgemerkt.






Armin

2019-04-11 12:11:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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