Bibio - Ribbons

Warp / Rough Trade
VÖ: 12.04.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Mathe am Seerosenteich

Lustig, wenn die einfache Mathematik manchmal ausreicht, um die Verschiedenheit zweier Alben aufzuzeigen. Mann muss nur das Verhältnis von Plattenlänge und Anzahl der Songs von Bibios letztem Album "Phantom brickworks" dem seines aktuellen Werkes "Ribbons" gegenüber stellen und schon merkt man, dass sich etwas gewaltig verändert hat. Also, "Phantom brickworks": Neun Songs, 71 Minuten Laufzeit, in die Weite ausgearbeitete Stücke, die den Begriff Ambient mehr als verdient haben, von denen, so die Kritik, aber nicht viel hängen blieb. Und jetzt? "Ribbons" hat stolze 16 Songs vorzuweisen, braucht dafür jedoch gerade mal gut 50 Minuten. Soll heißen: Bibio, mit bürgerlichem Namen Stephen Wilkinson, kommt deutlich schneller zum Punkt, mehr noch, vieles skizziert er nur flüchtig, bevor er sich dem nächsten Betätigungsfeld zuwendet. Was die Zahlenspiele allerdings nicht belegen können, ist der Umstand, dass sich Bibio hier von der elektronischen Musik phasenweise ganz abwendet und dem vielfältig angedachten Folk seine Aufmerksamkeit schenkt.

Nach dem ersten Durchlauf von "Ribbons" kommt man fast nicht umhin, eine Liste der zu hörenden Instrumente im Geiste aufzustellen – und diese ist üppig. Also, ohne Anspruch auf Vollständigkeit begegnen einem da Cello, Mandoline, Harfe, Klarinette und jede Menge anderes Streicher- und Bläserwerk. Wilkinson hat das alles übrigens selber eingespielt, mehr analog geht fast nicht. Und die Songs? Sind bezaubernd, wie gesagt oft skizzenhaft hingeworfen und bieten als Gesamtwerk jede Menge Abwechslung. Songs wie "Watch the flies" sonnen sich in ätherischem Irish-Folk, wunderbar wird da die Fidel bespielt und die Akustikgitarre ergießt zart perlende Akkorde. Die dämmernden Flötentöne von "Patchouli May" ergänzen großartig die warmen Streicher und man hat den Eindruck, einen Schnappschuss oder Auszug von einer sorgenfreien Landpartie erhalten zu haben. Oftmals sind diese Songs Vehikel, die man zufällig irgendwo besteigt und von denen man genauso plötzlich wieder abspringt. Das verträumte "Valley wulf" kommt und geht beiläufig wie der Tag, ohne vom Menschen künstlich hineininterpretierte Dramatugie.

"The art of living" könnte mit seinen hellen Orgeltönen das Idyll einer vorabendlichen Familienserie beschallen, doch eigentlich wollen diese Songs raus an die Natur, unter raschelndem Blätterwerk liegen, den Fluss vorbeiziehen sehen. Ausnahmen gibt es da nur vereinzelt, beim analogen, urbanen Soul von "Before" zum Beispiel oder beim elektronischen Klammerblues von "Pretty ribbons and lovely flowers". Typischer ist jedoch das Verweilen an einem Seerosenteich in "It's your bones". Umflort von Harfe und Geige lässt man da Füße und Seele baumeln und kommt dann vielleicht auch auf ganz einfache, mathematische Überlegungen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The art of living
  • Watch the flies
  • Pretty ribbons and lovely flowers
  • Patchouli May

Tracklist

  1. Beret girl
  2. The art of living
  3. Before
  4. Curls
  5. Ode to a nuthatch
  6. Watch the flies
  7. It's your bones
  8. You couldn't even hear the birds singing
  9. Pretty ribbons and lovely flowers
  10. Erdaydiddier-Erdiddar
  11. Frankincense and coal
  12. Old graffiti
  13. Patchouli May
  14. Valley wulf
  15. Quarters
  16. Under a lone ash
Gesamtspielzeit: 52:04 min

Im Forum kommentieren

Voyage 34

2019-04-20 16:02:08

It's your Bones ist ja ein mega Song. Album gefällt mir. Sicher nicht sein bestes, aber ein schönes Frühlingsalbum

Armin

2019-04-04 20:24:29- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Voyage 34

2019-03-18 20:18:37

da freu ich mich mal wieder drauf!

Armin

2019-03-18 19:45:17- Newsbeitrag

Das Bibio Album "Ribbons" erscheint am 12. April 2019 via Warp Records/ Roughtrade.


Stephen Wilkinson, wie Bibio bürgerlich heißt, kehrt auf Ribbons zum klar strukturierten Songwriting zurück, wie man es zuletzt auf seinem davor veröffentlichten Album A Mineral Love (2016) hören konnte. So setzt er dieses Mal größtenteils auf einen organischen Folk-Einschlag und Akustikinstrumente, verbindet Psychedelic-Einflüsse aus den Sechzigern und Siebzigern mit Soul, Ambient, Electronica und Field Recordings.

Nahezu sämtliche Instrumente, die auf Ribbons zu hören sind, hat der britische Multiinstrumentalist, Produzent und Sänger im Alleingang eingespielt. Als direkte Anspielung auf die vielen (analogen) Bänder – ribbons –, die für seine Musik, seine Fotografie und auch für seine filmischen Arbeiten zum Einsatz kommen, hat Wilkinson auch das Album-Artwork gestaltet: Sein Porträt fungiert als Rahmen für eine britische Waldidylle, in der bereits die ersten Hasenglöckchen aufblühen – ausgeschmückt mit den titelgebenden Bändern. Anstatt auf klassische Beats und Percussion-Elemente zu setzen, sind es bei vielen der neuen Tracks die Melodien selbst, die den Rhythmus vorgeben – ein Beispiel dafür ist die erste Single „Curls“, die schon seit dem 6. Februar erhältlich ist. Ausnahmen bilden Songs wie z.B. „Before“, das von Seventies-Soul inspiriert ist, oder auch „Old Graffiti“, bei dem Bibio die Jazzbesen über die Snare schickt. Auch die verwobenen Gitarrenspuren von Instrumentalstücken wie „Valley Wulf“ bleiben durchweg der Folktradition und dem damit verbundenen Storytelling treu, zwei Elemente, die Ribbons zusammenschweißen. Für ein Stück wie „Ode To A Nuthatch“ kehrt Wilkinson schließlich auch zu seinem Trademark-Sound zurück – Gitarren-Fingerpicking kombiniert mit nostalgischer Tape-Ästhetik.



Die verschiedenen Folk-Einflüsse, auf die sich Wilkinson im Verlauf von Ribbons bezieht, stammen aus den Sechzigern und Siebzigern – und gleichermaßen aus UK, Irland und Nordamerika. Er bringt den einheimischen Acid-Folk mit den verträumten Melodien aus dem Kalifornien jener Tage zusammen. Auch an seine eigenen früheren Arbeiten, die mehr von J Dilla und Madlib inspiriert waren, knüpft er indirekt an, wenn er selbst zu den Samplequellen der beiden zurückkehrt – u.a. zu Dionne Warwick, Dee Dee Sharp und anderen Soulgrößen aus den Sechzigern und Siebzigern; doch anstatt wie die beiden US-Hip-Hop-Produzenten mit Samples zu arbeiten, packt Wilkinson seine vielen Instrumente aus und verneigt sich vor den Soulklassikern, indem er alles selbst einspielt.



BIBIO im Netz: www.bibio.co , WARP Records: www.warp.net

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