Fil Bo Riva - Beautiful sadness
Humming / MembranVÖ: 22.03.2019
Album des Jahres
Wer sich in der Zukunft fragen sollte "Wie war eigentlich Indie-Pop im Jahre 2019?", der muss sich nur Fil Bo Rivas Debütalbum anhören. "Beautiful sadness" klingt, als hätte sich der deutsch-italienische Songwriter wirklich bemüht, die Trends der letzten Jahre in seinen Songs zu bündeln und nach dem "Für jeden was dabei"-Prinzip möglichst viele Hörer abzuholen. Das Ergebnis ist ein zu lang geratenes, zerstückeltes Werk, das zu großen Teilen nicht mehr viel gemein hat mit den starken Songs der 2016 erschienenen EP "If you're right, it's alright".
Dabei hat Filippo Bonamici bereits ein bewegtes Leben hinter sich: aufgewachsen in Rom, zum Abitur auf ein Internat in Irland geschickt, danach als Kellner in Madrid gearbeitet und schließlich zum Studieren nach Berlin gekommen. In der deutschen Hauptstadt lernte er seinen Mitstreiter Felix Remm kennen, der die Songs, die Bonamici schreibt, arrangiert. Die oben erwähnte EP war ein durchschlagender Erfolg, Fil Bo Riva durfte fortan etablierte Künstler wie Milky Chance, Matt Corby und Joan As Police Woman auf Tour begleiten. Entsprechend hoch waren also die Erwartungen an das Debüt.
Eingefasst in die bedeutungsschwanger betitelten Rahmen-Stücke "Sadness" und "Beautiful" liefert Bonamici dann schlicht: zu viel. Das ist bedauerlich, weil zwischen all dem Ausufern immer wieder wunderschöne Momente durchblitzen. Eingängige Refrains und launige Melodien werden dadurch ihrer Durchschlagskraft beraubt, dass sie dem Hörer inflationär aufgezwungen werden und die Songs sich oft in scheinbar endlosen Steigerungen verlieren. "Radio fire" beispielsweise wächst gegen Ende in einen schönen Klimax, der dann noch in einen kleinen Epilog übergeleitet wird, der das Stück unnötig streckt.
Am deutlichsten wird dieses Manko allerdings im neun Minuten langen "Different but one", das anfänglich den Charakter einer Ouvertüre hat, Motive aus einigen der zuvorkommenden Stücke wieder aufgreift und erst im letzten Drittel seinen Refrain offenbart. Ein besonders schwerer Brocken, zwischen all den ohnehin schon zu langen Tracks. Es ist aber eben nicht nur die Struktur der Stücke, sondern vor allem auch das Gefühl, dass Bonamici hier just zu viel integrieren wollte. Neben der zuletzt wieder so beliebten Reibeisenstimme setzt der Sänger auf "L'impossibile" plötzlich Autotune ein, der eher fehl am Platz wirkt. Der Gesang erreicht generell nicht mehr oft die kehlige Qualität, die "Like eye did" 2016 so attraktiv machte. Fil Bo Riva hat dafür das Falsett für sich entdeckt, das er sehr freigiebig einsetzt.
Die Kombination aus folkigem Gitarrenspiel und elektronischen Beats, die Milky Chance erfolgreich gemacht haben, fehlt auch nicht. "Blindmaker", das entfernt mit "Smalltown boy" von Bronski Beat verwandt scheint, schlägt in jene Kerbe und ist kurz genug, um nicht weiter zu stören. Dazwischen finden sich auch einige starke Songs, wie etwa das energievolle "Head sonata (Love control)", das sich immer wieder fantastisch in einen schmissigen Refrain mit nettem Synthie-Motiv entlädt, oder auch "Time is your gun" und "Go rilla". "Baby behave" eine langsame Ballade mit einem wunderschönen Gitarren-Riff ist eines der Album-Highlights, muss sich allerdings auch wieder den Vorwurf gefallen lassen, etwas lang geraten zu sein.
Textlich ist drin, was drauf steht: Optimistisch verdrehte Klagen über die Liebe und das Leben, zwischendrin uninspirierte Zeilen wie: "Is it love that I'm feeling now? / Am I being slow / I don't know". Das Hörerlebnis beschreibt der Albumtitel gleich auch noch: Vieles hier ist "beautiful", häufig empfindet man aber auch "sadness", da man sich wünscht, Fil Bo Riva hätte sein Debüt-Album etwas knapper und knackiger gehalten.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Time is your gun
- Head sonata (Love control)
- Baby behave
Tracklist
- Sadness (Intro)
- Time is your gun
- Radio fire
- Go rilla
- Baby behave
- Head sonata (Love control)
- Is it love?
- L'over
- Blindmaker
- L'impossibile
- Different but one
- A happy song
- Beautiful (Outro)
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Claude
2019-03-22 20:00:32
Mus man sich länger anhören.... ich finde das album genial und sehr hörenswert!
musie
2019-03-22 15:26:21
ein überraschend abwechslungsreiches album. nicht bloss eine milky chance kopie. braucht ein bisschen zeit und auseinandersetzung damit. ich finds voll gut.
Armin
2019-03-21 20:25:43- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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