Will Burns & Hannah Peel - Chalk Hill Blue

Rivertones / Heavenly / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 22.03.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Synthie im Gebüsch

Zwei Menschen gehen spazieren. Der eine, Will Burns, ist ein Dichter, der Besonderheiten des Zwischenmenschlichen mit Landschaftsbeschreibungen kreuzt, die andere Person ist Hannah Peel, ihres Zeichens experimentelle Musikerin, die schon mal eine Reise durchs Universum mit Hilfe einer klassischen Bläser-Band und zweier Modular-Synths abgebildet hat. Jene Spaziergänge rund um Burns Wohnstätte, zeitigen nun ein Album,"Chalk Hill Blue", welches sich der oberflächlichen Erwartungshaltung entzieht. So sind die durchaus dominanten Spoken-Word-Passagen von Burns eben nicht nur Wiedergaben der landschaftlichen Gegebenheiten, sondern setzen sich intensiv mit menschlichen Schicksalen auseinander. Da wäre zum Beispiel die Frau, die mit 25 schon eine Scheidung hinter sich hat oder der Verstorbene, auf dessen Dachboden der Erzähler jede Menge Field Recordings findet. Einen Killer-Wels, welcher Tauben und kleine Hunde verschlingt, gibt es dann auch noch.

Die Landschaft spielt natürlich trotzdem eine gewichtige Rolle, aber eher als Bühne für klimatische Veränderungen und den Wechsel von Tag, Abend und Nacht und den damit einhergehenden Changierungen von hell, dunkel und allem dazwischen. Neben der nüchteren Poesie von Burns steht natürlich die musikalische Umsetzung im Mittelpunkt. Diese beschränkt sich zum Glück nicht auf einen atmosphärischen Ambient, sondern setzt selber mit vielseitiger Instrumentierung einige Landmarken. Der Einsatz von Bläsern, wie erwähnt eine Spezialität von Peel, ist derart abwechslungsreich, dass sie fast ganz allein für unterschiedliche Stimmungslagen sorgen. Da steht zum Beispiel ein hektisch atmendes Stakkato neben weit ausgelegten Flächen, Gefühle wie Bedrohung kommen aus der selben Quelle wie Wärme und Weichheit. In "The night life" herrscht fast Panik, getriebene Percussion sieht sich gruseligen Tönen vom Synthie ausgesetzt, dazu sägen dumpf die Streicher, also nix mit ruhigem Landschaftsidyll.

Die wabernden Synthies vom Kernstück "Change" passen ebenfalls nicht zum Klischee der ruralen Natürlichkeit einer Landschaftsbeschreibung. Auch hier sitzt der Hörer regelrecht angespannt neben der Anlage, wird von aggressiven Klängen in Alarmbereitschaft gehalten, bevor das gesprochene Wort von Burns für Milderung sorgt. Dies wirkt wie eine Einkehr in eine von Zeit und Hektik befreite Urwelt, in der sich Klangspuren von Streichern und Bläsern im weichen Dahinfließen der Synthies spiegeln. Das Tielstück besitzt dagegen eine fast maschinelle Qualität, gerichtet, ja folgerichtig scheint jeder Ton auf dem vorhergehenden aufzubauen, das Setting weist eine für naturverbundene Musik erstaunliche Mechanik und Künstlichkeit auf, auch hier ein Brechen mit der Erwartungshaltung. Man wird also von dieser Platte immer wieder überrascht, bei diesem Spaziergang durch die Landschaft von "Chalk Hill Blue" muss man dann vielleicht sogar damit rechnen, ein Keyboard am Wegesrand zu finden.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The night life
  • Change
  • Chalk Hill Blue

Tracklist

  1. Out of doors
  2. The night life
  3. Afterwards
  4. Spring dawn on mad mile
  5. Change
  6. Chalk Hill Blue
  7. May 9th
  8. Swallowing
  9. Ridgeway
  10. Summer blues
  11. February
Gesamtspielzeit: 37:02 min

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Armin

2019-03-21 20:25:05- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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