Beth Gibbons & Polish National Radio Symphony Orchestra - Henryk Górecki: Symphony no. 3

Domino / GoodToGo
VÖ: 29.03.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Guten Abend, liebe Sorgen

Wen wundert es, dass sich allezeit das Gefühl von Sorge und Trauer großer Beliebtheit als vorherrschendes musikalisches Thema erfreut? Die Weltlage, durch den Nachrichtenspiegel gefiltert, gibt es vor. Konsequent ist es also, dass sich die "Symfonia piesni zalosnych", die dritte Sinfonie des polnischen Komponisten Henryk Górecki, als eines der bekanntesten und erfolgreichsten zeitgenössischen Klassikwerke entpuppte. Anfang der Neunziger wurde eine Aufnahme der London Sinfonietta zum Welterfolg, seitdem hörte man die ergreifenden Töne in verschiedenen Filmen und anderen Interpretationen. Erst 2016 nahm Saxofonist Colin Stetson "Sorrow" mit befreundeten Mitstreitern als seine ganz eigene Version auf. Noch davor führte das Polish National Radio Symphony Orchestra unter der Leitung von Krzysztof Penderecki am 29. November 2014 das Werk in Warschau auf – die konservierte Liveaufnahme erscheint erst jetzt, vier Jahre danach, als Tonträger. Und wer sich nun fragt, wann dieser Text endlich auf Beth Gibbons zu sprechen kommt – tja, für den ist diese Platte wohl nichts.

Denn jene 2014 entstandene Kollaboration der Portishead-Sängerin mit dem Orchester ist keinesfalls eine Art Soloalbum, sondern klar dem Klassik-Genre zuzuordnen, die Aufführung hält sich derweil nah an die originale Partitur. Gibbons' Stimme taucht dementsprechend erst nach rund zwölf Minuten auf und verschwindet immer wieder über längere Strecken. Die Britin trainierte nicht nur Soprangesang für dieses Konzert, sondern musste sich auch an eine phoentische Interpretation des polnischen Textes gewöhnen. Die Arbeit zahlt sich aus: Ihre Performance überzeugt in der ihr so eigenen Ergriffenheit, der Schmerz, welcher sich in allen drei Sätzen aus der Trennung von Mutter und Kind vor verschiedenen historischen Hintergründen speist, wird fassbar. Nicht umsonst trägt die Sinfonie den Beititel "Symphony of sorrowful songs". Gut die Hälfte der Spielzeit nimmt der erste Teil ein, welcher zunächst aus einem ausladenden Crescendo in den ersten Vocal-Part mündet.

Beinahe wie im klassichen Drama ist der mittlere Teil eine im Vergleich schon optimistische Wendung, ein besonnenes Innehalten. Man spürt, dass die zugrunde liegende Nachricht an einer Gefängniswand der Gestapo im Zweiten Weltkrieg Hoffnung vermittelt. Auch im dritten Satz schimmert eine süßliche Melancholie durch, obwohl im Text die ihren in den schlesischen Aufständen ermodeten Sohn suchende Mutter am Ende jeglicher Zuversicht angelangt ist. Es ist die tief in der polnischen Musik verwurzelte Schwere, die Góreckis dritte Sinfonie in der Schnittmenge seiner frühen, dissonanten Werke und der späteren Zugänglichkeit auf so viel Aufmerksamkeit stoßen ließ. Die vorliegende Aufnahme besticht derweil durch einen klaren, leicht verhallten Klang und eine – zumindest für den gemeinen U-Musik-Hörer – betonte dynamische Spannweite. Im Gegensatz zu Stetsons deutlich modernerer Interpretation bleibt die Fassung von Gibbons und dem Polish National Radio Symphony Orchestra ursprungstreu und traditionell. Dies tut der Sogwirkung keinen Abbruch: Wenn am Ende plötzlich unerwartet Applaus aufbrandet, ist es wie das Erwachen nach einer langen, dunklen Nacht. Er ist mehr als verdient.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. I. Lento – Sostenuto tranquillo ma cantabile
  2. II. Lento e largo – Tranquillissimo-cantabilissimo-dolcissimo-legatissimo
  3. III. Lento – Cantabile-semplice
Gesamtspielzeit: 48:55 min

Im Forum kommentieren

VelvetCell

2019-04-05 09:11:54

Schottin?

Nö.

Walenta

2019-04-05 09:00:44

"Die Schottin trainierte nicht nur Soprangesang für dieses Konzert, sondern musste sich auch an eine phoentische Interpretation des polnischen Textes gewöhnen."

Schottin?

Armin

2019-03-21 20:28:28- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2019-03-04 19:01:10- Newsbeitrag

Henryk Górecki: Sinfonie No. 3 Performed by Beth Gibbons and the Polish National Radio Symphony Orchestra Conducted by Krzysztof Penderecki

Ankündigung internationaler Filmscreenings


Um die Veröffentlichung ihrer Version der Sinfonie Nr. 3 (Sinfonie der Klagelieder) von Henryk Górecki gebührend zu zelebrieren, hat Beth Gibbons einige internationale Aufführungen des Konzertfilms angekündigt. Jason Hazely, der musikalische Direktor des Projektes und Beth Gibbons werden an den Aufführungen in Berlin, Paris und London teilnehmen.

Die Aufnahmen zu dem 50 minütigen Konzertfilm fanden unter der Regie von Michał Merczyński am 29. November 2014 im The National Opera Grand Theatre in Warschau statt. Das Konzert war Teil eines Programmabends, an dem auch Jonny Greenwoods (Radiohead) 48 Responses To Polymorphia und die Weltpremiere von Bryce Dessners (The National) Réponse Lutosławski aufgeführt wurden.

Nach einer Einladung zur Mitarbeit am Konzert unterzog sich Beth Gibbons einem intensiven Vorbereitungsprozess. Die größte Herausforderung war es, den Originaltext und das emotionale Gewicht, das er trägt, zu lernen, ohne die Muttersprache zu sprechen. Die schwer fassbare und doch ikonische Frontfrau von Portishead, einer der wichtigsten britischen Bands der letzten zwei Jahrzehnte, hat die Herausforderung angenommen und die Erwartungen übertroffen. Ihre Leistung in Zusammenarbeit mit dem Dirigent Penderecki und dem Polnischen Rundfunk-Sinfonieorchester wurde als triumphierend bezeichnet.

Der Konzertfilm ist am 31.03.2019 im Babylon am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz auf großer Leinwand zu sehen. Eine Einführung erfolgt durch Jason Hazely.

Einlaß ist um 19:00Uhr, Einführung und Film beginnen um 19:15Uhr. Die Tickets kosten 16,50 Euro und sind hier oder an der Abendkasse im Kino erhältlich.

Das Album Henryk Górecki: Symphony No. 3 (Symphony of Sorrowful Songs) performed the Polish National Radio Symphony Orchestra, conducted by Krzysztof Penderecki erscheint am 29.03.2019 via Domino. Die Deluxe Version des Albums enthält eine DVD mit dem Konzertfilm.

Autotomate

2019-02-15 11:25:58

Es bleibt zumindest spannend, ob Beth Gibbons dem Stück irgendetwas neues hinzufügen kann.

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