Youth Fountain - Letters to our former selves

Pure Noise
VÖ: 08.03.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Boys don't cry

Manche Klischees sterben nie aus. Auch wenn sie vergleichsweise modernen Ursprungs sind, so sind sie so tief im popkulturellen Gedächtnis verankert, dass es fast schon irritierend wirkt, wenn sie nicht zutreffen. US-Rapper mit glänzendem Schmuck, teuren Autos und vielen Frauen natürlich. Der mittellose Jazz-Musiker, der seinen Traum nicht aufgeben will. Und dann natürlich der weiße, traurige Pop-Punk-Sänger. Die Personifikation des privilegierten Stereotyps einer nordamerikanischen Vorstadt, aus gutem Elternhaus, dem alle Türen offen stehen, der sich aber doch in träumerische Melancholie flüchtet. Und der die Jugend, die sich sich seit den frühen 2000ern immer stärker am HipHop orientiert, beschwichtigt: Es ist okay, uncool zu sein. Es ist okay, sich auch trotz der besten Umstände schlecht zu fühlen. Während sich die Sentimentalität des Emo-Punks mittlerweile mit identitätsstiftenden Künstlern wie XXXTentacion oder Lil Peep mit zeitgemäßem Rap-Sound vermischt hat, hat die letzte Stunde der Gitarrenbands noch nicht geschlagen: Mit Youth Fountain und ihrem Debüt "Letters to our former selves" erscheint Jahre nach dem Erfolg von modernen Pop-Punk-Bands wie Neck Deep oder American Football wieder eine Band auf der Bildfläche, die sämtliche Klischees bedient – und der man gerade deshalb nicht böse sein kann.

Die Kombination von knackig produzierten Schrammel-Gitarren, süßlichen Emo-Melodien und kathartischem Screaming perfektioniert das Duo, das sich live und im Studio Unterstützung am Bass und Schlagzeug dazuholt, dabei wie kaum eine andere Band. Soundästhetisch weder Pionieren wie Sunny Day Real Estate noch neuen Phänomenen wie Sorority Noise zuzuordnen, transportieren Youth Fountain doch genau diese hochemotionale Energie, die stets zwischen Weinerlichkeit und schonungsloser Selbstoffenbarung changiert: "Because everyday it's all so routine / To live with all the things I fucking hate about me / I've been numb for so long, I'd be better off gone / So scared to die but that's all I really want", heißt es in einem der vielen offenherzigen Ausbrüche auf "Worried". Depressionen, Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle sind die dominierenden Themen des Albums, dazu kommt das genretypische Nachtrauern verlorener Partner: "Here I stand, helpless again / Caught up in words I wished I said / I gave up, you’re giving in / I'll never get back what I once had then", schreit sich Tyler Zanon, einer der beiden Sänger der Band, auf "Lucid" von der Seele.

Teenage Angst, emotionale Struggles und Zukunftsängste beschäftigten junge Menschen seit eh und je, mit der Orientierungslosigkeit und Desillusion der Millenials hat die Hoffnungslosigkeit der westlichen Jugend jedoch ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Anders ist es nicht zu erklären, wie eine Band wie Youth Fountain, die bis Anfang 2018 noch Bedroom Talk hießen und als DIY-Künstler nur durch das YouTube-Portal Dreambound zu einer gewissen Popularität gekommen ist, durch Pure Noise Records und eine Namensänderung innerhalb kürzester Zeit eine derartige Entwicklung zurücklegt. Das Debütalbum war dabei obligatorisch im nicht zu übersehenden Marketing-Plan, denn auf die "neue" self-titled EP, von der vier der fünf Songs bereits zuvor veröffentlicht waren, folgt nun ein Album, auf dem ebenfalls nur vier von zwölf Songs neu sind. Glücklicherweise können Youth Fountain dennoch mit jedem einzelnen überzeugen. Wer es nicht fühlt, wird Zeilen wie "People say you’ve just got to try and move on / But these concrete shoes I’ve been wearing are overbearing / These days, I can’t stop wishing my life away / Is there anybody out there that could fix me?" aus der Single "Deadlocked" nicht verstehen. Wer es jedoch versteht, dem zeigt sich hier eine Band auf der nächsten Stufe des Emocore: die perfekte Symbiose aus Touché Amoré und Taking Back Sunday.

(Julius Krämer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Worried
  • Deadlocked
  • Lucid
  • Blooms

Tracklist

  1. Helpless
  2. Letters to tour former selves
  3. Rose coloured glass
  4. Moody
  5. Worried
  6. Complacemet
  7. Ache
  8. Deadlocked
  9. Furlough
  10. Lucid
  11. Grinding teeth
  12. Blooms
Gesamtspielzeit: 31:40 min

Im Forum kommentieren

Beefy

2019-03-15 09:43:20

Nix gegen die Rezi an sich. Aber American Football als Pop Punk zu bezeichnen, wird der Band definitiv nicht gereicht :-)

Armin

2019-03-14 20:21:51- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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