Strand Of Oaks - Eraserland

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 22.03.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Meine Freunde

Timothy Showalter, der Mann hinter Strand Of Oaks, war am Ende, leer und ausgelaugt. Nach seinem vielbeachteten letzten Album "Hard love" schien es nicht mehr weiterzugehen, neue Songs waren nicht in Sicht, Showalter fühlte weder Notwendigkeit noch Antrieb, sich an den Schreibtisch zu setzen und etwas zu Papier zu bringen. Als Ausweg sah er eine Pilgerreise an die Küsten von Jersey, während derer er die alten Konstruktionen seiner Persönlichkeit massiv in Frage stellte und sich selbst auf Null zurück setzte. Aber auch seinen engen Freunden blieb diese persönliche Krise nicht verborgen. Schön, dass es sich bei diesen zufällig um die Band My Morning Jacket handelte, und noch schöner, dass sie das Versiegen des musikalischen Flusses bei Showalter nicht hinnehmen wollten. Also wurde ein Studio angemietet, der depressive Freund quasi dorthin entführt und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt, oder, etwas pathetischer formuliert, Magie. Denn das dabei entstandene Album "Eraserland" zeigt einen Songwriter, der seine Stücke mit großer Inbrunst und Überzeugung vorträgt, ohne die nachdenklichen Schlagschatten weg zu retuschieren.

"I don't feel it anymore" ist dann das erste, was man von Showalter auf "Eraserland" hört, das eröffnende "Weird ways" sitzt ermattet am Lagerfeuer, eine wehmütige Pedal Steel verdrückt eine Träne, doch bereits hier hat man das Gefühl, dass gleich Großes passiert. Und man muss gar nicht lange auf die Springsteen-Gitarre und einen satten Schlagzeugbeat warten, die melodische Gesangsführung erinnert dagegen an die Zeit, als U2 noch intelligente Hymnen in Stadionformat zu Wege brachten. Der Ansatz ist also kein bescheidener, dieses Album traut sich die große Geste, Gitarrensoli am Klippenrand, umarmende Refrains, all das ist hier mit Nachdruck eingearbeitet. "Hyperspace blues" ist mit grell funkelnden Synthies und der geballten Faust am Herzen schnell auf dem emotionalen Gipfel, verflüchtigt sich aber kurz vor der Erruption in psychedelische Schwaden. Unter Kenntnis der Entstehungsgeschichte würde man vielleicht ein extrem introvertiertes, brüchiges Werk erwarten, doch diese Platte steht fest mit beiden Beinen auf dem Untergrund.

Selbst wenn ein Song wie "Keys" eher milde durch die Abenddämmerung wandert und die Verzweiflung greifbar ist, packt Showalter wirkungsmächtige Refrains aus, die von tausenden Kehlen wunderbar beherzt mitgesungen werden können. Showalter versteckt sich nicht, seine Seelenpein wird kräftig in die Nacht herausgeschleudert. Da entsteht in "Visions" so etwas wie ein runtergekühltes Brodeln, bis auch hier ein überlebensgroßer Refrain mächtig ans Hörerherz anklopft. Das mit Achtziger-Schlagseite an den Start gehende "Final fires" gleitet mit mächtigem Hauch über versehrtes Land, "Moon landing" hingegen gefällt sich in einem aschfahlen Funkkostüm, die knarzenden Gitarren sorgen für Ungemach und man wähnt sich runtergebrannt auf dem Hinterhof einer ollen Kaschemme. Die Strophen von "Ruby" sind aber wieder ein Denkmal für emotionalen Hochglanz, derart entschieden wird die melodische Schönheit selbiger herausgekehrt. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Klarheit und wie unverstellt das hymnische Potenzial auf dieser Platte herausgearbeitet wird, sei es im zwischen Bedrohlichkeit und Milde pendelnden Titelsong oder in dem sich langsam aufbauenden "Forever chords". Showalter traut sich auf "Eraserland" Größe und Eindeutigkeit, versteckt sich nicht hinter irgendwelchen Brüchen und Relativierungen. Gut für ihn, dass er sich auf eine Handvoll guter Freunde verlassen konnte, die ihn in diese Richtung geschubst haben.

(Martin Makolies)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Keys
  • Visions
  • Eraserland
  • Forever chords

Tracklist

  1. Weird ways
  2. Hyperspace blues
  3. Keys
  4. Visions
  5. Final fires
  6. Moon landing
  7. Ruby
  8. Wild and willing
  9. Eraserland
  10. Forever chords
  11. Cruel fisherman
Gesamtspielzeit: 48:24 min

Im Forum kommentieren

Pepe

2020-01-08 10:52:24

Erinnert schon an U2, aber ich wäre froh, wenn die noch einmal so einen Song hinbekämen.

Cade Redman

2020-01-08 00:51:17

Na ja es klingt für mich amerikanisch und ich hör die charakteristische Stimme von Bono nicht und keine Gitarre die wie The Edge klingt. Kann man ja sehen wie man will.

StopMakingSense

2020-01-08 00:33:49

Hm, erstaunlich, Cade... mir sofort, spätestens beim Einsetzen der Vocals.

Steht sogar genau so in der Rezension, merke ich gerade (die ich vielleicht vorher mal hätte lesen sollen um uns Redundanz zu ersparen...Ôo)

Cade Redman

2020-01-08 00:24:29

U2 kommt mir dabei gar nicht in den Sinn.

StopMakingSense

2020-01-07 23:50:55

Hm. Ist aber auch schon irgendwie ein eher mittelmäßiger U2-Song, oder?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum