
Drenge - Strange creatures
BMG / WarnerVÖ: 22.02.2019
Laktosefreier Horror
Eigentlich waren sie ja ganz niedlich bisher, Drenge, die "Jungs". Der schrammelige, vom Blues gefütterte Indierock der Loveless-Brüder Rory und Eoin hatte so eine harmlose Spielfreude, die auch den einsetzenden Krach nicht bedrohlich erscheinen ließ. Das war den beiden Typen aus dem englischen Dorf Castleton aber nicht genug, schon die "Autonomy"-EP aus dem letzten Jahr bot scharfe Kanten und rissiges Songgetrümmer, an dem man sich ordentlich schneiden konnte. Dass jetzt die Band selbst von ihrem Album "Strange Creatures" als Psycho-Horror-Film spricht, ist nicht nur Promo-Geraschel, sondern hat ziemlich viel mit der Wahrheit zu tun.
Da wäre zum Beginn direkt das fies knarzende "Bonfire of the city boys", welches in gesprochener Form von einer wilden Autohatz durch verbranntes Land berichtet, wie ein Nachrichtensprecher mit einer Knarre an der Schläfe, hektisch, getrieben und von einem ordentlichen Schlagzeugbollerwerk durchgeschüttelt. Man denkt an Shame oder Idles, sogar an den Schwachmaten-Noise von Future Of The Left, gemütlich geht anders. Deutlich dunkler eingefärbt sind die Songs von Drenge, als wäre die Class Of 05 auf einem Schulausflug in ein dunkles Kellerverlies hinabgestiegen und dort von den Sisters Of Mercy als Geiseln genommen worden. Und bei fehlendem Licht kann man dann halt auch schlecht rausfinden, wo die Gitarre aufhört und der Synthie beginnt. Burschikoses Rockertum trifft aus unselige Popkünstlichkeit, gelacht wird nur im Hohn. Das getriebene "This dance" versteht Gitarrensaiten als Rasierklingen, ein Arctic-Monkeys-Groove sorgt für Schlagseite im Refrain, und die Kirmesorgel hat sich als Pennywise verkleidet.
Die tiefer gelegten Synthies in "Teenage love" machen sich gut zum Robotergesang, "milk shakes make me sick / Lactose intolerance". An solchen Stellen merkt man den immer wieder hergestellten Bezug zum Alltagsleben von jungen Menschen, nur wird der in ein zähflüssiges Blutbad aus rostiger Instrumentierung gezogen. Die mit diversen Effektgeräten bearbeitete Gitarre im Titelsong hat lange nicht mehr frische Luft geatmet, der traurige Gesang rettet sich in eine blasse Nüchternheit, alles unter einem fahlen Mond und in Zeitlupe. Die theatralischen Goth-Gesten bekommen die Loveless-Brüder in Vollendung hin, das Drängende noisigen Rocks wird mit der Gravitas düsterer Popmusik verbunden, und wenn in "Prom night" Stephen Kings "Carrie" zu trägen Westerngitarren ihren Racheakt inszeniert, schlottern die Knie, und es stockt der Atem.
Der größte Trumpf dieses Albums ist vielleicht, wie detailverliebt die Songs ausgestattet wurden. Der motorisch pulsende Basslauf von "No flesh road" oder das in ruppiges Feedback eingearbeitete Riffing von "Avalanches", alles hat seine dramaturgische Aufgabe, hält die Songs trotz ihrer Leichenblässe vital und vielseitig. Dass diese Platte dann in "When I look into your eyes" mit einem Chor von der Sklavengaleere und Handclaps endet, zeugt dann obendrein noch von schön morbidem Humor.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bonfire of the city boys
- Teenage love
- Prom night
Tracklist
- Bonfire of the city boys
- This dance
- Autonomy
- Teenage love
- Strange creatures
- Prom night
- No flesh road
- Never see the signs
- Avalanches
- When I look into your eyes
Im Forum kommentieren
keenan
2019-03-05 16:28:53
wenigstens habe ich noch etwas zu lachen...
Junge
2019-03-05 13:51:33
Anders als die beiden Vorgänger. Aber gutes, abwechslungsreiches Album!
Lustig
2019-03-05 12:31:09
So dermaßen lustig.
keenan
2019-03-05 12:25:57
die neue von dredg ist einfach so erschienen? riesenfreude :-D
Armin
2019-02-28 20:21:51- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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