Señor Karōshi - ... oder deswegen

Disentertainment / Broken Silence
VÖ: 01.02.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wisch's weg

Was hält kleine Bands am Leben? Diesen Herren namens Señor Karōshi kamen in jüngster Zeit Freundschaft, Familie, Finanzen und der hassgeliebte Faktor Zeit in die Quere. Das Punkrock-Trio startete 2013 furios und musste dann mit ansehen, wie jene typischen Komponenten abwechselnd den Scharfrichter spielten. Und so reichte es zunächst nur für eine EP, eine Split-Single und etliche Support-Konzerte. Umso bemerkenswerter, dass das Señor-Karōshi-Debüt "... oder deswegen" nun endlich erscheint, zumal im soundtechnisch auch echt schicken Zwirn.

Denn der Punkrock der Trierer fackelt nicht lange, klingt immer druckvoll und klar, aber auch nicht zu sauber geleckt. "... oder deswegen" braucht sich demnach zum allergrößten Teil nicht wirklich vor den Genre-Zugpferden zu verstecken, bündelt Gitarre, Bass und Schlagzeug zu zackigen Riffs, effektiven Hooks und zu kleinen Hits wie dem schnellen "Motte" oder dem Anti-Zeitgeist-Stück "Zum Rapport". Selbst leicht durchschaubare Songs wie "Scheiß auf Mathe, jetzt ist Sport" drehen Señor Karōshi das geballte Finale durch den Überraschungs-Wolf, während der wuchtige "Muschelsucher" äußerst talentiert im Post-Punk-Schlamm wühlt, bis die Flut kommt: "Er sucht nach Perlen / Er findet nichts als Papp-Besteck." So ist das wohl.

Natürlich stehen die Zeiten nicht schlecht für laute, gesellschaftskritische Musik. Der Aufschwung rechtsradikaler Irrlichter? Bejubelte Grenzzäune in einem einst geeinten, nun auseinanderbrechenden Europa? Eine Dystopie, die realistisch zu werden droht. Und dann wäre da noch der alternativlose Neoliberalismus und sein Leistungsmantra. "Und jeder pfuscht so gut er kann / Die einen kommen damit durch / Die anderen stellen sich bitte hinten an", schildert das feine "Stein, Schere, Schießgewehr" eine der naheliegendsten Taktiken, irgendwie mitzuschwimmen. "Dein Platz an diesem Tisch ist darunter" stammt aus der Feder von Schreng Schreng & La La, doch für die rotzige Interpretation planschen Señor Karōshi passenderweise mit Schreng-Schreng- und Love-A-"Esel" Jörkk Mechenbier.

Im Japanischen repräsentieren die hübschen Schriftzeichen "過 労 死" den Bandnamen und bedeuten dabei nichts Angenehmeres als "Tod durch Überarbeiten". Nun gelten die Menschen in Japan seit jeher als Arbeitstiere, aber auch Unsereins hat hierzulande im Job zu kämpfen, die wenigen Stunden Alltag außerhalb des Berufs halbwegs angenehm zu gestalten. Genau von diesen kleinen Kämpfen im täglichen Spannungsfeld rund um den kleinsten gemeinsamen Nenner, zwischen Bequemlichkeit und dem eigentlich notwendigen Aufbruch, spannen sich die Geschichten des Albums, wie etwa die von Walter im tollen "Wasted on the young". Und wenn der nächste Frappuccino im Retro-Insta-Glanz erstrahlt, kann man nur hoffen, das dies in fernen Tagen nicht bloß verklärende Inszenierungen sind aus einer Zeit, bevor das große Unheil kam.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wasted on the young (Frappuccino Mix)
  • Stein, Schere, Schießgewehr
  • Dein Platz an diesem Tisch ist darunter
  • Muschelsucher

Tracklist

  1. Motte
  2. Wasted on the young (Frappuccino Mix)
  3. Das Haus verliert nichts
  4. Stein, Schere, Schießgewehr
  5. Zum Rapport
  6. Dein Platz an diesem Tisch ist darunter
  7. Scheiß auf Mathe, jetzt ist Sport
  8. Skalpell
  9. Muschelsucher
  10. Atmen
  11. Rasebus
Gesamtspielzeit: 33:55 min

Im Forum kommentieren

squand3r

2019-02-19 15:25:17

hab mit den Releases von Love A und Pascow wieder vermehrt meine Liebe zu deutschem Punk gefunden. Señor Karoshi passt hier perfekt rein, „Das Haus verliert nicht“ und v.A. „Skalpell“ gehören aber noch unbedingt in die Referenzen :>

Armin

2019-02-14 21:27:24- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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