Ladytron - Ladytron

Ladytron / !K7 / Indigo
VÖ: 15.02.2019
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Heavy metal heart

Not your kind of Electroclash: Ein Gros der Musikpresse zwängte Ladytron zu Beginn ihrer Karriere in ein Genre-Korsett, mit dem sie eigentlich nie etwas zu tun haben wollten. So wehrten sich Helen Marnie und Daniel Hunt schon in diversen Interviews gegen den Begriff und eine Zuordnung zu Bands, die kaum Gemeinsamkeiten mit ihnen tragen. Da hatten sie durchaus recht – zwar lassen sich Ansätze aus dem etwa mit I-F oder Fischerspooner assoziierten Stil kaum abstreiten, doch spann das britische Quartett schon immer sein ganz eigenes Garn. Nicht ganz so vielseitig wie die ästhetisch ebenfalls schwer greifbaren Goldfrapp, aber schon immer mit Shoegaze-Einflüssen und einer besonderen Art von unter meterdicken Synthies begrabener Melancholie ausgestattet, die sie auf "Gravity the seducer" am deutlichsten in den Vordergrund hoben. Nicht von ungefähr kam 2009 der Ritterschlag von Brian Eno als "the best of English pop music".

Dieser Exkurs ist deshalb hier wichtig, weil Ladytron auf ihrer sechsten, selbstbetitelten Platte den auf dem direkten Vorgänger eingeschlagenen Weg wieder verlassen. Marnie, Hunt, Mira Aroyo und Reuben Wu haben ihr fluffiges Himmelbett auf den Müll geschmissen und bevorzugen wieder das sperrige, ungeschliffene Mobiliar ihrer Anfangstage. Sogar Sepultura(!)-Drummer Igor Cavalera haben sie dafür ins Studio geladen, der das eröffnende "Until the fire" auch gleich kompromisslos nach vorne poltern darf. Es ist nicht weniger als Ladytrons bester Opener bisher, ein unfassbar dringliches, aus verschachtelten Synthies und beschwörenden Gesangsmelodien zusammengesetztes Meisterstück von Shoegaze-Electronica – einer der Höhepunkte des jungen Musikjahres. Wenn Marnie im folgenden "The island" immer wieder "We are savages", konstatiert, kann man ihr bedingungslos zustimmen, auch wenn der – ebenfalls grandiose – Song mit seinem an Chromatics erinnernden Synthwave-Pop ungleich romantischer und schwebender daherkommt.

Ganze acht Jahre lagen zwischen "Ladytron" und seinem Vorgänger und es scheint, als hätte jede verstrichene Sekunde den Kreativgeist des Vierers noch ein wenig mehr beflügelt. Das Album schafft das Kunststück, jede Schaffensphase der Band – und damit automatisch die gesamte elektronische Musik der letzten 40 Jahre – Revue passieren zu lassen und gleichzeitig unheimlich inspiriert und frisch zu klingen. Moderne, etwa von Grimes oder Zola Jesus etablierte Produktionsansätze stehen im Kontrast zu unverschämten, aber herausragend gut geschriebenen Retro-Verbeugungen wie der finalen Pet-Shop-Boys-Ballade "Tomorrow is another day". "Tower of glass" beginnt indes wie ein Crystal-Castles-Song und türmt sich seinem Titel entsprechend mit einem zur Unkenntlichkeit verzerrten Anti-Gitarren-Solo auf, während das von Aroyo gesungene "Paper highways" destruktiv schabende Beats mit einem Eurovision-Refrain verbindet.

Auch Marnies Melodien bewegen sich auf einem überragenden Niveau, sowohl im hymnisch getragenen "The mountain" als auch im schnelleren, intensiven "The animals", das am Ende in ohrenbetäubenden Dissonanzen ausbricht. Nicht nur wegen solcher Störmomente ist – so unglaublich das auch klingen mag – der Einfluss Cavaleras hier klar herauszuhören. Die oft echten Drums klingen so wuchtig wie nie und in "You've changed" zeigen sich Ladytron von ihrer aggressivsten Seite, wenn sie den Song immer wieder zwischen Noise und Techno-Club auffahren lassen. Es erzeugt zwar nicht mehr die atmosphärische Geschlossenheit von "Gravity the seducer", doch in Sachen Variation und der durchweg hohen Qualität des Songwritings steht "Ladytron" dem Meisterstück "Light & magic" in nichts nach. Allzu weit aus dem Fenster gelehnt hatte sich Eno jedenfalls nicht – auch 2019 gehören die besten Nicht-Electroclasher der Welt noch immer zur Pop-Speerspitze ihres Heimatlands.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Until the fire
  • The island
  • The animals
  • You've changed
  • The mountain

Tracklist

  1. Until the fire
  2. The island
  3. Tower of glass
  4. Far from home
  5. Paper highways
  6. The animals
  7. Run
  8. Deadzone
  9. Figurine
  10. You've changed
  11. Horrorscope
  12. The mountain
  13. Tomorrow is another day
Gesamtspielzeit: 53:48 min

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Tester

2019-02-14 00:03:32

Sehr gut geschrieben!

Mei-Nung

2019-02-09 16:06:58

Ja!

Armin

2019-02-07 20:24:04- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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