
Hejira - Thread of gold
Lima Limo / Rough TradeVÖ: 22.02.2019
Auf dieses Leben
Keiner mag den deutschen Befindlichkeits-Pop der 2010er-Jahre. Wenn man trotz der ach so großen Widerstände immer als der Geilste und Tollste hervorgeht, ist das wenig glaubhaft und vor allem wenig sympathisch. Dass die Giesingers und Forsters dieses Landes hier regelmäßig abgewatscht werden, ist da ganz einfach ein notwendiger Selbstschutz. Zwangsläufig besser wird es zunächst auch nicht, wenn man das Ganze in englischer Sprache serviert bekommt. Die Londoner Band Hejira hat mit "Joyful mind" einen solchen eher einfach gestrickten Song auf ihrem Album "Thread of gold", der die stark vereinfachte Botschaft voran trägt, immer positiv eingestellt zu bleiben. Der erste Reflex ist ein abwehrender, doch kommt man irgendwann nicht mehr umhin, dieses Stück im Kontext der ganzen Platte zu sehen, welche textlich immer wieder vielschichtig Stimmungen und Situationen beschreibt. Und dann wird aus dem zunächst ungeliebten Kind ein kleiner, klar leuchtender Diamant, der mit lässigem Schwung an den Wohlfühlrezeptoren andockt. Aus banal wird konkret.
Dabei beschreitet die Band um die in Äthiopien geborene Sängerin Rahel Debebe Dessalegne durchaus Um- und Seitenwege, voll auf die Zwölf setzt es eigentlich nie etwas. Die Wurzeln Debebes spielen hier eine gewisse Rolle, an mancher Stelle sind Field-Recordings aus Ostafrika eingebaut, und das scheinbar freudig einen Berg erklimmende "Lima limo" fängt dieses Zwischending aus Land und Stadt, so typisch für die Region, glänzend ein. Ganz nah an der klassischen, anglo-amerikanischen Balladenkunst ist jedoch der Opener "Save it for another", der zunächst die basalen Lebensregungen entwickelt und einen wunderschönen, reduzierten Refrain in die Leere singt. Ähnlich unaufgeregt agiert "Ribs", welches an seinen meditativen Hauptpart eine dezent ins dramaturgische Rampenlicht geschobene Coda anhängt, die das Stück in eine endlose Weite ausdehnt.
Die musikalische Ausarbeitung hat dabei immer eine Vorliebe für das Handgemachte, die Instrumentierung gibt sich hauptsächlich einem analogen Charme hin, der diese Songs nach Holz und Erde duften lässt. Das versonnene Klaviergeklimper und das Entlangrutschen an den Gitarrensaiten verleiht der Momentaufnahme "A taxi man" eine haptische Erdung. Und die stumpfe Percussion kombiniert mit drmatischen Streichern in "Seven" haben trotz verträumtem Ausdruck eine gesunde Rustikalität. Der abschließende Titelsong ist dann noch mal großes Balladenkino und zeigt, dass in dem bescheidenen Auftreten Debebes eine richtige Grande Dame schlummert. Und wenn man die meiste Zeit eher unter- als übertreibt, sei dieser Band auch ein solch einfacher Song wie "Joyful mind" gegönnt, der das Leben genau in dem Moment feiert, wenn mal alles einfach und klar erscheint.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Save it for another
- Joyful mind
- Lima limo
Tracklist
- Save it for another
- Joyful mind
- Ribs
- Lima limo
- Empire
- A taxi man
- Seven
- You
- Thread of gold
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Armin
2019-02-07 20:23:24- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Hejira - Thread of gold (1 Beiträge / Letzter am 07.02.2019 - 20:23 Uhr)