Mercury Rev - Bobbie Gentry's The delta sweete revisited
Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 08.02.2019
Aus einem Land vor unserer Zeit
Ein bisschen Musikgeschichte: Als Bobbie Gentry im Jahr 1968 ihr zweites Album "The delta sweete" veröffentlichte, war es alles andere als alltäglich, dass eine Songwriterin selbstgeschriebenes Material einsang und auf den Markt brachte. Die tief im Süden der USA verwurzelten Geschichten der Sängerin bezauberten nicht nur das Country-Publikum, sondern fanden auch im Pop-Kosmos ihre Zuhörer . Noch heute gilt das Album als Klassiker. 2019 erscheint nun eine Hommage von Mercury Rev, die sich zur Unterstützung so ziemlich alles ins Studio geholt haben, was im Bereich der Singer-Songwriterinnen Rang und Namen hat. "Bobbie Gentry's The delta sweete revisited" gelingt das Kunststück, jedem Song neue Facetten abzugewinnen, ohne dabei den Geist des Originals über Bord zu werfen.
Selbstverständlich klingt so einiges nach Mercury Rev. Die vielschichtigen, gerne ins Psychedelische abdriftenden Arrangements erinnern an frühere Großtaten der Band. Vor allem "All is dream" eignet sich als Referenzpunkt. Im Mittelpunkt der Neueinspielungen stehen jedoch die Gastvokalistinnen. Den Reigen eröffnen darf Norah Jones, deren Interpretation von "Okolona river" äußerst kraftvoll ausfällt. Für die kuscheligeren Töne sind diesmal ausnahmsweise andere zuständig. Zu allerlei Klingeling haucht beispielsweise Laetitia Sadier die Zeilen von "Mornin' glory" in bester Wiegenlied-Tradition. Weitaus bissiger geht Margo Price in "Sermon" zu Werke: Der Song, der in abgewandelter Form schon von Moby zitiert wurde, entfaltet auch hier eine betörende Wirkung. Es wäre einfach gewesen, die Komposition in orchestralem Schlabber zu ersticken, glücklicherweise haben sich Mercury Rev für eine subtilere Herangehensweise entschieden.
Dabei hört man kaum einem Stück sein Entstehungsjahr an. So stapft "Tobacco road" in den Strophen zwar durchs Delta, hebt in den Refrains jedoch in wolkige Sphären ab. Augen zu und ab dafür. Geerdet werden die Neueinspielungen meist durch die gefühlvollen Gesangsdarbietungen. So macht Hope Sandoval in "Big boss man" das, was sie am besten kann: Ohne große Gesten lullt sie den Hörer ein, bis er sich schlussendlich selig grinsend im Takt wiegt. Nur selten driften die Arrangements ein Stück zu weit in Richtung Wattebausch – "Jessye Lisabeth" ist zwar wunderschön, aber auch ein wenig banal geraten. Zum Glück gibt es Marissa Nadler, die mit ihrer einzigartigen Stimme "Refractions" zu einer eisigen Wonne macht. Dass im Hintergrund eine singende Säge erklingt, macht die Sache noch eindringlicher.
Mercury Rev halten sich bis auf eine Ausnahme an die Tracklist des Originals. Sie verzichten an vorletzter Stelle auf "Louisiana man" und beenden das Album stattdessen mit Gentrys erstem Hit "Ode to Billie Joe", welcher von Lucinda Williams mit viel Herzblut eingesungen wurde. Der ursprüngliche Closer "Courtyard" rückt um eine Position nach vorne, was nichts an seiner zeitlosen Schönheit ändert. Beth Ortons volltönende Stimme passt perfekt zur einschmeichelnden Melodie. Die Befürchtungen, dass Mercury Rev aus purer Verlegenheit ein Album mit Fremdmaterial eingespielt haben, verflüchtigen sich allerspätestens hier. Die Zeiten haben sich vielleicht geändert, die Musik bleibt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Okolona river (feat. Norah Jones)
- Sermon (feat. Margo Price)
- Tobacco road (feat. Susanne Sundfør)
- Refractions (feat. Marissa Nadler)
Tracklist
- Okolona river (feat. Norah Jones)
- Big boss man (feat. Hope Sandoval)
- Reunion (feat. Rachel Goswell)
- Parchman farm (feat. Carice van Houten)
- Mornin' glory (feat. Laetitia Sadier)
- Sermon (feat. Margo Price)
- Tobacco road (feat. Susanne Sundfør)
- Penduli pendulum (feat. Vashti Bunyan & Kaela Sinclair)
- Jessye Lisabeth (feat. Phoebe Bridgers)
- Refractions (feat. Marissa Nadler)
- Courtyard (feat. Beth Orton)
- Ode to Billie Joe (feat. Lucinda Williams)
Im Forum kommentieren
Kimmich lover
2019-03-09 14:16:55
Im Vergleich zu Lena leider langweilig.
Armin
2019-01-31 20:35:40- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2018-11-14 17:57:55- Newsbeitrag
MERCURY REV
Mercury Rev melden sich mit “The Delta Sweete Revisited” (08.02. via Bella Union) zurück. Es handelt sich hierbei um eine Neuauflage von Bobbie Gentrys vergessenem Meisterwerk und enthält eine beeindruckende Liste von Gastsängerinnen: Norah Jones, Hope Sandoval, Beth Orton, Lucinda Williams, Rachel Goswell, Vashti Bunyan, Marissa Nadler, Susanne Sundfør, Phoebe Bridgers, Margo Price, Kaela Sinclair, Carice Van Houten und Laetitia Sadier.
Den ersten Song “Sermon” gibt es hier zu hören. Bobbie Gentrys “The Delta Sweete” beeinflusste die Band schon bei ihrem 1998 veröffentlichten Album “Deserter Songs”. Es war also nur eine Frage der Zeit, dass sich Mercury Rev an eine Neuauflage trauten. Kommendes Jahr ist es soweit - und sie sind nicht alleine: Gentrys Geschichten bekommen durch die auserwählte Stimmbesetzung von Frauen aus dem Rock und Alternative-Bereich eine ganz neue, aufregende Note. Mercury Revs Konzept geht auf: Der Charme Bobbie Gentrys bleibt der Neuauflage ganz erhalten. Gemeinsam mit Margo Price macht die Band bei ihrer ersten Song-Auskopplung “Sermon” Lust auf mehr.
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