Culk - Culk

Siluh / Cargo
VÖ: 01.02.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ungeschönt

Es ist kein Geheimnis: Die 80er sind wieder da. In den letzten Jahren war die Ästhetik des einst so verhassten Jahrzehnts so omnipräsent, dass sie mittlerweile schon wieder aus der Mode kommen müsste, betrachtet man die schnelllebigen Trends und Hypes unserer Zeit. Im Mainstream kommen mit Gated-Reverb-Snares und kitschigen Synthies zwar nur die Stilmittel im Sound zum Vorschein, die sich mit moderner Überproduktion und Radiostandards vertragen – man denke an Bruno Mars oder hierzulande an Bausa. Wendet man jedoch den Blick von den Top Ten ab, so erschließt sich eine klangliche Welt, die auch und gerade die produktionstechnische Unbeholfenheit dieser Zeit feiert: Bands wie International Music oder Isolation Berlin zelebrieren die Neue Deutsche Welle und finden sich nun auch in Gesellschaft der Wiener Culk wieder – die mit ihrem selbstbetitelten Debüt noch dazu besagte Gruppen mühelos an die Wand spielen.

Mit mysteriöser Atmosphäre, beklemmenden Lyrics und klagenden Gitarren liefert das Quartett eine Vorstellung davon, wie eine Supergroup aus Radiohead, Bent Knee und R.E.M. unter New-Wave-Produktionsbedingungen klingen könnte. Bereits der Opener "Begierde / Scham" setzt auf trancigen Aufbau und kryptische Zeilen von erstickender Unterdrückung: "Sie sieht ihn nicht an, er sieht, dass sie muss / Sie tut es, ohne zu sehen." Das rohe "Faust" dagegen setzt auf einen treibenden Beat und eine nihilistische, dystopische Grundstimmung: "Niemand, der schreit / Niemand, der bleibt." Bahnbrechend innovativ ist das alles nicht, jedoch kombinieren Culk ihre Elemente aus NDW-Produktion, sphärischem Songwriting und Post-Punk-Attitüde derart stimmig, dass auch der oftmalige Wechsel zwischen Deutsch und Englisch kaum stört – auch wenn dabei der emotionale rote Faden etwas auswäscht.

Der konsequente Minimalismus, den Culk dabei an den Tag legen, tröstet aber schnell darüber hinweg. Das niederschmetternde "Vollendung" bezieht seine destruktive Wirkung lediglich aus den spitzen, beißenden Gitarren und dem wie in Trance genuschelten Gesang von Frontfrau Sophie Löw. Mit einem ebenso apokalyptischen Höhepunkt endet auch das sich unaufhörlich steigernde "Faust II", das in seiner gnadenlosen Repetitivität an David Bowies "Lazarus" erinnert. Die Produktion von "Culk" setzt auf Understatement und bleibt dabei stets angenehm hohl: Hier wird nichts beschönigt, sondern jedes Element so roh, verletzlich und kantig gezeigt wie die düstere Welt, die Culk mit ihrem Debüt in dunkle, unheilvolle Farben tauchen.

(Julius Krämer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Begierde / Scham
  • Faust II
  • Vollendung

Tracklist

  1. Begierde / Scham
  2. Faust
  3. Faust II
  4. Salvation
  5. Chains of sea
  6. Vollendung
  7. Velvet morning
Gesamtspielzeit: 29:00 min

Im Forum kommentieren

peppermint patty

2020-01-30 19:05:37

Knapp ein halbes Jahr nach Albumrelease erschien noch die Single "Ruinen" Wer sie noch nicht kennen sollte: unbedingt nachholen!

peppermint patty

2019-12-30 01:44:32

Das man nur Fetzen versteht, ohne jetzt nachzuschauen, wenn's denn überhaupt vorliegt, das machtt auch den Reiz dieser Band aus:

" Zwischen Tag und Nacht
zwischen Schweigen und Beten"

"zwischen Worten und Taten
vollendet aber auch nicht"

aus "Vollendung". musikalisch irgendwo in Slowdive-Nähe.

peppermint patty

2019-12-24 10:20:51

Scheisse, wäre nicht ganz so unklug gewesen, die Rezi von Julius Krämer vor meinem Beitrag zu lesen. Sicherlich hätt' ich dann eine andere Textstelle zitiert. Was soll's ? Die Musik ist der Star, alles andere sollte unwichtig sein (trotzdem irgendwie blöd " Nein, ich habe nicht abgeschrieben" ) :/

peppermint patty

2019-12-24 09:30:04

Nach Ewigkeiten mal wieder eine deutschsprachige Band gefunden, bei der es auf Anhieb "klick" machte. Hab schon fast gedacht, ich wär mit dem Thema durch. Und dann kamen Culk.
Allein Begierde/Scham:

"Sie sieht ihn nicht an
er will dass sie muss
Sie tut es ohne zu sehen"

Das Genuschel der Sängerin erinnert mich geschlechtsunabhängig ein wenig an Tobias Levin (Cpt.Kirk &) in "Bad Saalschlacht"

surfing magazines

2019-02-26 23:02:15

7 Songs. 29 Min. All killer, no filler. Zu Unrecht offensichtlich zu wenig beachtet hier.

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