Alex Lilly - 2% milk

Release Me
VÖ: 11.01.2019
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Stören-Friede

Das Offensichtliche zuerst: Die Kalifornierin Alex Lilly hat ein provokantes Albumcover gewählt. Selbst leicht bekleidet, Achtung, Busenblitzer, wird sie von einem Paar netzbestrumpfter Frauenbeine entweder angegangen oder liebkost, man weiß es nicht genau. Klar ist da jede Menge Erotik im Spiel, aber eben verspielt und um die Ecke gedacht, meilenweit weg von einer plumpen Wichsvorlage. So ähnlich ist auch das Album "2% milk" geartet. Das zwischenmenschliche Knistern ist auf dieser Platte überall spürbar, doch allzu leichte Aussagen und Handlungen verweigert Lilly immer wieder. Ihre Popmusik findet zwar oftmals eingängige Ausdrucksformen durch klare Hooks, doch auch der verspielte, vertrackte Anteil fordert stets sein Recht ein.

"Distracting me" ist zum Beispiel fröhlich hüpfender Sommerpop, die Punchline des Refrains ist aber sonderbar tänzelnd in die Länge gezogen, passgenau auf die Zwölf trifft selbige dennoch. Lilly schafft es eben spielerisch, das Artifizielle mit einfachem Spaß zu verknüpfen. Der Titelsong ist ein Musterbeispiel für ultracoole Blasiertheit mit einem durch kalten Rauch wabernden Refrain und einem zähflüssigen Groove. "Pornographic mind" fühlt sich in einer zweideutigen Erotik zu Hause, der klare Gesang lässt Frühlingsgefühle aufkommen, doch die verdrehten Instrumentalschleifen verrenken das Hirn, inklusive süffigem Saxophon. Auch der Sommernachtstraum "Boomerang" ist nur an der Oberfläche sanftmütiges Säuseln, auf der Textebene lauern Untiefen, "this is so dysfunctional" heißt es da, oder "this is gonna blow up".

Vielschichtiges Highlight von "2% milk" ist jedoch "Cold snap", eine nebelige Halbballade, die durch kratzige Synthies in Zeitlupe in den Orbit geschossen wird, nur um erneut in ein romantisiertes Zauberland einzutauchen. Hier ist die angestrebte Ambivalenz mit Händen zu greifen, verträumte Melodien treffen auf fast schon ins Psychedelische abgleitende Instrumentalpassagen, Nähe und Distanz führen einen rivalisierenden Tanz auf. Auch einen Song wie "Hypothetical" kann man über den Wolken antreffen, nur hat er auch dort etwas über die Schwerkraft zu erzählen. Zwischen Ausgelassenheit und nachdenklichem Zögern changiert dieses Album, welches Lilly eben nicht im sonnigen Los Angeles am Venice Beach zugeflogen ist.

An jenem Strand hätte sie zwar als Bestandteil der Live-Bands von Beck oder Lorde bloß ihre Kontakte spielen lassen müssen, doch Lilly zog die Einsamkeit vor. Die Songs sind in einer Hütte vor den Toren Vancouvers entstanden, die Isoliertheit scheint sogar den fröhlichsten Pop-Momenten dieser Platte eingeschrieben zu sein, Und so heißt es an einer Stelle zwar, "I love it / When you are distracting me", doch ist dies nur als Ausnahme zu verstehen für die eine, wichtigste Person im Leben. Denn Alex Lilly bevorzugt eigentlich den Rückzug, selbst im größten Trubel erschafft sie sich eine geschützte Nische, so dass ihre Songs auch in der ausgelassenen Nahbarkeit Raum für nachdenkliche, zweite Gedanken lassen.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Distracting me
  • Boomerang
  • Cold snap

Tracklist

  1. Confucius says
  2. 2% milk
  3. Distracting me
  4. Pornographic mind
  5. Boomerang
  6. Night drive
  7. Infantile
  8. Cold snap
  9. Hypothetical
  10. Firefly
Gesamtspielzeit: 33:27 min

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Armin

2019-01-10 20:41:44- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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