Lygo - Schwerkraft

Kidnap / Cargo
VÖ: 07.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Im Schweiße des Pyjamas

Wer im Jahr 2018 immer noch nicht davon lassen kann, sich durch zigtausende Facebook-Kommentare auf dortigen Medien-Seiten zu kämpfen, der muss ein dickes Fell haben. Dort sind sie als vaterländische Armada angetreten, um den "linksgrünversifften Mainstream" zu bekämpfen, all die traditionsbewussten Manfreds und Jürgens, die besorgten Mircos und Ronnys und die nicht minder krawalligen Fake-Accounts von Elisabeth und Claudia samt ihrer zwölf Freunde. Dort verkaufen sie ihren Hass als "Meinungsfreiheit", wollen jedoch schon lange nicht mehr über irgendetwas diskutieren. Als Trost bleibt: Die Lauten sind nicht immer in der Mehrheit. Im Sinne der Bandbesetzung gilt das auch für Lygo, denn die Bonner (Post-)Punks sind nur zu dritt. Was die Truppe aber nicht daran hindert, neben Fjørt das wohl lautstärkste Trio der Republik zu mimen.

Mit "Schwerkraft" legen Lygo ihren zweiten Longplayer vor, und betrachtet man das Wörtchen "Eindringlichkeit" im Musikjournalismus als einen alten Kaminofen, dann legen Lygo zumindestens ordentlich Holz nach, um mehr als einen Winter davon zu zehren. Denn selbst innerhalb der nicht gerade weitläufig gesteckten Grenzen des deutschsprachigen Punkrocks versteht sich das Trio auf den Trick mit der erfrischenden Eigenständigkeit. Die vorab veröffentlichte Single "Schraubzwinge", wohl der markanteste Song der Platte, kann dem Hörer dabei mächtig auf den Sack gehen. Sänger Simon Meier schreit zumeist irre in sein Mikro, und die Lyrics reiben einem den Zielkonflikt zwischen ewiger Jugend, Partys und Verantwortungslosigkeit auf der einen sowie dem unbarmherzigen Endgegner namens Zeit auf der anderen Seite schonungslos unter die Nase.

Die Initialzündung gelingt dem Trio bereits mit dem Auftakthappen "Alles ist egal" und dem folgenden "Festgefahren", das nicht nur dank des ohnehin immer tollen Drummings gehörig Druck aufbaut, seinen Hauptrefrain ressourcenschonend nur einmal kredenzt und auch sonst durch erfreulich unkonventionelles Songwriting glänzt. "Wir werden früher oder später an unseren Ansprüchen scheitern / Und was wir alles sein können / Werden wir nie erfahren", heißt es da im Hinblick auf vermeintliche Chancen inmitten des gesellschaftlichen Labyrinths. Ob hier jemand all jene auf den Boden der Nüchternheit zerrt, die sonst Turbostaats Mutmacher "Vormann Leiss" zitieren? Nah an die Schulter der Flensburger Insitution lehnt sich "Gründe" und fasst unsere eingangs erwähnte, aufgeladene Zeit prägnant zusammen: "Woher kommt die Wut? / Alltag ist politisch / Gründe gibt's genug". Und ehe man sich umgeschaut hat, ob da noch wer etwas Dummes sagen will, galoppiert das Stück mit Tempo in die Box.

"Keine Leichtigkeit" entpuppt sich als kleines, verbittertes Punk-Biest, lässt die längst unterm Grabstein verweilenden Frau Potz kurz wiederaufleben und liest der Verflossenen eine in Liebeskummer ertränkte Gute-Nacht-Geschichte vor – auf dass ihr Albtraum intensiv sei. "Schwerkraft" am Stück ist indes eher eine Art "Fiebertraum" von Album: Lygo rütteln auf, reißen aus der Lethargie des Alltags, treten wenn nötig auch mal ins Gemächt und zaubern unangenehme Schweißränder in den Pyjama. Und wenn der Wecker den Guten-Morgen-Jingle spielt, bleibt zunächst eine Frage: Wo zur Hölle sind die Ibuprofen?

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Festgefahren
  • Gründe
  • Schraubzwinge
  • Keine Leichtigkeit

Tracklist

  1. Alles ist egal
  2. Festgefahren
  3. Lippen blau
  4. Lautlos
  5. Gründe
  6. Fiebertraum
  7. Schraubzwinge
  8. Vergessen
  9. Keine Leichtigkeit
  10. Nervenbündel
  11. Rausch/Zwang
  12. Flughafen
Gesamtspielzeit: 34:36 min

Im Forum kommentieren

Dem heilige Gitarre

2019-01-16 18:53:52

Himmel, ist das mies!

Armin

2019-01-16 18:38:01- Newsbeitrag

Die erste Tour zu ihrem aktuellen Album "Schwerkraft" war ein voller Erfolg und bescherte ihnen die größten Shows ihrer Bandgeschichte: nun kündigen LYGO weitere Konzerte an und veröffentlichen passend dazu ein Livevideo.

Das Abschlusskonzert des ersten Tourteils fand im Artheater in Köln statt. Gefilmt von Sebastian Igel, Jannik Holdt und Danny Kötter veröffentlicht das Bonner Punkrock-Trio ein Livevideo zum starken Albumtrack "Keine Leichtigkeit", der das aktuelle Album "Schwerkraft" inhaltlich gut zusammenfasst. Auch die Tonspuren wurden live bei dem Konzert live aufgezeichnet.

Passend dazu kündigen LYGO heute weitere Tourdaten für den Frühling 2019 an: insgesamt acht weitere Konzerte wird es im März geben. Tickets sind ab jetzt im Vorverkauf!

Bitte teilt das neue Video sowie die Tourdaten ab jetzt über eure Kanäle - Danke!

LYGO - "Keine Leichtigkeit" (Offizielles Live-Video)


LYGO - "Schwerkraft Tour 2019"
präsentiert OX Fanzine, FUZE Magazine & Stageload

22.03. Osnabrück, Kleine Freiheit
23.03. Koblenz, Circus Maximus
24.03. Tübingen, Epplehaus
25.03. CH - Zürich, Dynamo 21
26.03. Karlsruhe, Alte Hackerei
27.03. Düsseldorf, The Tube
29.03. Greifswald, Klex
30.03. Kiel, Schaubude

Armin

2019-01-03 20:01:06- Newsbeitrag

Frisch rezensiert. Als "Vergessene Perle 2018".

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