
OCS - Live in San Francisco
Rock Is HellVÖ: 02.11.2018
Alles fließt
"Live in San Francisco" hat alles, was man sich von einem guten Live-Album wünscht: Kleine Makel, die die Musik lebendig und greifbar machen, Zurschaustellung musikalischer Virtuosität und vor allem einen Spannungsbogen, der sich gewaschen hat. Es beginnt ganz gemütlich, wie eine Bötchenfahrt in ruhigen Gewässern, aber als der Fluss dann Fahrt aufnimmt, gibt es kein Halten mehr.
Den Verlauf des Gewässers zurückzuverfolgen, ist gar nicht so leicht. Es bedarf schon einiger Recherchearbeit, um in Erfahrung zu bringen, dass das schaffensfreudige Ensemble um John Dwyer hier nicht unter seinem aktuellen Namen Oh Sees veröffentlicht wie etwa das ebenfalls 2018 erschienene Studioalbum "Smote reverser", sondern unter dem ersten ihrer vielen inzwischen abgelegten OCS, weil sie für die Aufzeichnung in alter Besetzung mit Sängerin und Tambourinistin Brigid Dawson auftraten, und zwar in The Chapel in San Francisco. Bei der Setlist handelt es sich um das komplette Album "Memory of a cut off head" aus dem Jahr 2017 und drei ältere Songs. Auch potenzielle Quellen sind schwer ausfindig zu machen: Zwar lässt sich das ganze Setup an vielen Stellen im Internet als Stream anhören, wer sich aber einen Tonträger für zu Hause wünscht, muss sich für ein Exemplar der streng limitierten Vinylausgabe anstellen.
Das zu wissen, schadet nicht; man kann aber auch einfach das Schiff besteigen und sich von der Musik hinforttragen lassen. Zunächst führt die Fahrt durch idyllische, ländliche Gefilde. Schon die Studioversion von "Memory of a cut off head" stellte im Œuvre der Garage Rock Band mit seinem folkigen Duktus eine Ausnahme dar. In der Liveversion wird dieser Charakterzug durch das Streicherensemble, das voll auftrumpfen darf, noch verstärkt. Geige und Bratsche tollen im Opener "Memory of a cut off head" übermütig neben der Hauptstimme her wie Lämmer und Schwalben am Flussufer. Dawson und Dwyer sind meist im Duett zu hören und schaffen eine liebliche und friedvolle, aber auch dichte und mitunter fast symphonische Atmosphäre. Wenn der Strom breiter wird, verlangsamt sich auch das Tempo. Songs wie "The baron sleeps" und "The fool" werden geradezu provokant langsam vorgetragen. Dawson schwelgt träumerisch in den Melodien, die ihr Stempel auf dem OCS-Sound sind. Nichts stört diese stillen, kontemplativen Momente oder, man man errät es bereits: diese Ruhe vor dem Sturm.
Die drei Tracks, die nicht dem Album entstammen, stehen am Ende des Konzertes. "Dreadful day" und "Iceberg" sind songorientierte Stücke, die sich problemlos in das Set einpassen. Das Konzert schließt mit einer monumentalen, fast 25-minütigen Version von "Block of ice". Von dem Stück, das auf dem Debütalbum der Band gerade mal 2:14 Minuten in Anspruch nahm, sind nur die energetische Bassline und die schrammelige Garagen-Atmosphäre geblieben. Diese münden bald in einen psychedelischen Strudel an selbstvergessener Improvisation, vertrackten Rhythmen, präzisen Synthieklängen und verzerrten Gitarren, die sich immer schneller drehen und eine gefährliche Sogwirkung entfalten. Nach diesem Höllenritt spuckt einen der Fluss wieder ans Ufer. Schwindelig, taumelnd, aber glücklich.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Memory of a cut off head
- The baron sleeps
- Block of ice
Tracklist
- Memory of a cut off head
- Canibal planet
- Remote viewer
- The baron sleeps
- On & on corridor
- Neighbor to none
- The fool
- The chopping block
- Time turner
- Lift a little finger
- Dreadful day
- Iceberg
- Block of ice
Im Forum kommentieren
Armin
2018-12-10 22:24:46
Hier wirst Du fündig:
https://ocsmusic.bandcamp.com/album/ocs-live-in-san-francisco
The MACHINA of God
2018-12-10 21:44:33
Gibt's das Album bei Spotify? Finde unter beiden Bandnamen nix.
Armin
2018-12-10 21:29:18- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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