
Bill Ryder-Jones - Yawn
Domino / GoodToGoVÖ: 02.11.2018
Schlaf Dich fit
Gähnende Leere, gähnende Langeweile: Nicht sonderlich positiv konnotiert, dieses unwillkürliche Schnappen nach Luft, welches der geschaffte Mensch mit dem schläfrigen Tier gemein hat. Kalendersprüche sehen im Gähnen den stillen Schrei nach Kaffee. Also noch eine ungünstige Assoziation: schlechte Witze. Tatsächlich aber gibt es doch kaum etwas Gemütlicheres als gestattete Müdigkeit wenn die Augen noch nicht zu fallen, der Mund sich jedoch von selbst öffnet. Gähnen hat etwas Friedvolles, und genau an dieser Stelle dockt Bill Ryder-Jones mit seinem fünften Studioalbum an: Da, wo die Welt noch so in Ordnung ist, dass man einfach auch mal groggy sein darf.
"No one's trying to kill you" heißt etwa eines der Stücke auf "Yawn", in welchem der Singer-Songwriter seinem Gegenüber absolute Geborgenheit vermittelt. Das schlägt sich auch in der Musik nieder: Das Low-Tempo, die sanft angeschlagene Gitarre und Ryder-Jones' säuselnde Stimme wiegen den Hörer in angenehmster Sicherheit, auch wenn in der Ferne der Wind weht. In die gleiche Kerbe schlägt oder schmiegt sich viel mehr "Don't be scared, I love you", welches zwar ein etwas gröberes Instrumentarium mitbringt, aber genauso behutsam agiert. Hier besonders schön: die E-Gitarre in der Bridge zur Songhalbzeit. Auch in "Time will be the only saviour" sticht das Gitarrenspiel des The-Coral-Gründungsmitglieds hervor, wenn es immer wieder die Klimax sucht, ohne dabei über das Ziel hinaus zu schießen und im behaglichen Raster zu bleiben.
Einer von den wenigen Tracks, der dieses ein wenig verlässt, ist gleichzeitig der beste auf "Yawn": In "And then there's you" findet der Engländer die große Liebe, lässt es vor lauter Freude musikalisch ein wenig gewittern, bietet aber vor allen Dingen einen wunderbaren Popsong dar. Ein weiterer Titel, der dem Schema etwas entschwirrt, ist "There are worse things I could do", das ein paar Oasis-Assoziationen in der Melodie weckt. Als wunderschöner Abschluss des Albums fungiert schließlich "Happy song", das nichts anderes tut, als "There's something on your mind", welches eingangs noch absolute Traurigkeit proklamiert und fast ein wenig trotzig wirkt, einen besonnenen Gegenspieler zu verpassen, der zum Ende auch noch einmal das Tempo anzieht und die Gitarrenfiguren tanzen statt kreischen lässt.
"Yawn" ist vielmehr ein Durchatmen, als ein Gähnen. Nun gut, ein Gähnen ist per Definition ein Durchatmen, aber es kommt eben auf den Blickwinkel an. Ryder-Jones durchschreitet auf seinem Album so manches Tal, doch hält er dabei stets den optimistischen Blickwinkel fest. Es ist ein Moment des Innehaltens, Besinnens und Zu-Kräften-Kommens, wie es auch der Song "Recover" verrät. Entschleunigung wäre außerdem ein trendiges Stichwort. Das Album gesteht dem Hörer zu, dass man auch einmal eine Pause braucht von den vielen Tumulten, die ein modernes Leben so durchlebt. Endlich darf Müdigkeit wieder etwas Positives sein.
Highlights & Tracklist
Highlights
- And then there's you
- Don't be scared, I love you
- No one's trying to kill you
- Happy song
Tracklist
- There's something on your mind
- Time will be the only saviour
- Recover
- Mither
- And then there's you
- There are worse things I could do
- Don't be scared, I love you
- John
- No one's trying to kill you
- Happy song
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Pascal
2019-06-03 19:35:22
Stimme Mopi absolut zu. (Neuer Spitzname für den Nickname.)
MopedTobias (Marvin)
2019-06-03 19:05:08
Puh, weiß jetzt nicht, ob ich das brauche. Gerade die Anlehnungen in Richtung Shoegaze machen auf dem Album den Reiz aus, finde ich.
Gordon Fraser
2019-06-03 12:26:55
"Yawn" kommt nochmal in einer stripped-down-Akustik-Variante.
https://www.dominomusic.com/releases/bill-ryder-jones/yawny-yawn/limited-edition-lp
Gordon Fraser
2019-01-02 13:36:44
Ziemlich erschütterndes Porträt: https://www.qthemusic.com/articles/bill-ryder-jones-my-brain-knows-what-to-do-when-it-gets-too-stressed-or-unhappy-it-turns-off
Endet immerhin on a happy note mit der Aussicht auf neue Musik:
In the past few days, Domino have given Ryder-Jones the go-ahead to write and record an album based on Aldous Huxley’s Music At Night.
Pascal
2018-11-24 02:41:43
@2us2gleich5: In der Tat immer weniger klare Schemata.
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