Upper Wilds - Mars

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 26.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Macht mobil

"Größenwahn, was hast Du uns angetan?", fragte Andreas Dorau einst auf "Todesmelodien", doch inzwischen könnte man diesen Satz genauso gut Dan Friel, Zach Lehroff und Jeff Ottenberger in den Mund legen. Hieß es auf "Guitar module 2017", dem Debüt ihrer Band Upper Wilds, nämlich noch lediglich "Let's build a moon", markiert "Mars" den Auftakt einer dreiteiligen planetarischen Trilogie. Pass also auf, wem Du den kleinen Finger reichst, ehe er sich im nächsten Moment mit dem ganzen Arm respektive Sonnensystem davonmacht. Letzteres würde immerhin das infernalische Gequietsche und Gejaule erklären, das sich sowohl durch Upper Wilds' Musik als auch durch Friels Soloplatten zieht. Ein aus der Gemeinschaftsverantwortung gefallenes Fuzz-Pedal? Eine Armee hungriger Baby-Baumstachler? Ein wildgewordenes Harmonium mit Spieldosenintoleranz? Eh wurscht, jedenfalls ist das kreischende Ding immer noch da. Vermutlich als Warnung an außerirdische Antennenträger, dass der künftige Besuch nicht ganz unbewaffnet anrückt.

Das bleibt selbstverständlich nicht der einzige Krach auf "Mars". Friel sagt dazu "Total folklore", wir sagen Walzwerk. Schließlich war der Mann schon bei seiner vorigen Band Parts & Labor ebenso wenig ein Kind von Traurigkeit wie Lehroff bei Ex Models und Ottenberger bei Pterodactyl. Und so funkt dieses Album von Beginn an aufgeregt SOS – mit extraterristischen Fiep-Signalen, tief gestimmten Noise-Riffs und dem blechernen Zetern unbekannter Herkunft. Höchst disziplinierte Lärmkunst, dass dabei trotzdem so ein hyperaktiv powernder Opener wie "Dead mall" herauskommt, der dank umsichtig runter- und wieder hochgekochten Spannungsbogens einen wunderbaren Ohrwurm abgibt. Falls es noch etwas harmonischer sein darf: "Hellcoder" bettet gleich im Anschluss sehnsuchtsvollen Surf-Rock in brachiales Magengruben-Getöse – knapp drei Minuten verstrahlte Crunch-Time unter grüner Sonne, bei der nicht nur Beach Boys mit Mary-Chain um den Hals einen Veitstanz vollführen.

Denn Friel versteht von Pop ähnlich viel wie von Geräusch, was schon Parts & Labors swingendes "Wedding in a wasteland" oder seine eigene Single "Thumper" belegten. Und was könnte wiederum mehr Pop sein als breitbeinig das sechssaitige Gemächt zur Schau stellender Heavy-Rock? Wenn "Wine flies" das Intro von Iron Maidens "The number of the beast" per blubberndem Chemiebaukasten nachmodelliert und "Skylab" sich wie von Sinnen in den Spandexhosen-Himmel achtelt, ist das vor allem köstlich und karikiert das wohl manipulativste Genre der Gitarrenmusik äußerst liebevoll. Auch nicht schlecht jedoch: schleifender, mit Solo-Freakouts und frenetischen Leads aufgebohrte Kraut-Grooves, wie sie das großangelegte Titelstück hinter sich herschleppt, während Friel kehlig über seinen tristen Arbeitsalltag referiert. Der vollmundige Höhepunkt eines vorzüglich sperrigen Albums, angesichts dessen man Upper Wilds' Reisepläne zu anderen Gestirnen bestens nachvollziehen kann. Wir sind dann auch mal weg – und nehmen "Mars" mit.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dead mall
  • Hellcoder
  • Mars

Tracklist

  1. Dead mall
  2. Hellcoder
  3. Skylab
  4. Wine flies
  5. Perfect eyesight
  6. Mars
  7. Deimos
  8. Caveman
  9. Ex-frontiers
Gesamtspielzeit: 34:26 min

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MasterOfDisaster69

2018-11-21 20:13:57

Ich mag zwar lieber Snickers, aber da kann man schon mal reinhoeren. Melodischer Krach ist immer willkommen, mal schauen…

kapomuk

2018-11-20 08:21:23

Irgendwie witzig, irgendwie aber auch un-wiederhörbarer Lärm

Bob

2018-11-16 18:39:57

Erstes Album mit wahnsinnig übersteuerten minimal Dosendrums viel intensiver und breitwandiger. Sehr schade, der Rote ist auf jeden Fall ein interessantes Kerlchen, vermute einer derer, die mit voller Kreativkontrolle tatsächlich besser funktionieren als in der Gruppe.

Armin

2018-11-15 21:14:43- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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