Awkward I - Kyd
Excelsior / H'artVÖ: 02.11.2018
Komm da wieder runter
Man darf dem niederländischen Musiker und Songwriter Djurre De Haan gratulieren: Selten prangte auf einem Booklet-Cover ein so sprechendes Motiv. Zu sehen ist ein kleiner Junge, mit bandagierten Knien auf einem Lehnstuhl stehend. Beschmiert mit einer grünen Flüssigkeit, starrt er den Betrachter aus neugierigen, aufgeweckten Augen an. Da verfliegt jedes Niedlichkeitsschema, wenn man ganz ehrlich ist, wirkt das schon ein bisschen eklig, zu schweigen von der offenkundigen Ramponiertheit des Dreikäsehochs. Was das jetzt mit "Kyd", dem neuen Album von De Haans Projekt Awkward I zu tun hat? Zumindest einmal nimmt sich De Haan den oftmals lieblich und anschmiegsam interpretierten Folk vor und arbeitet in ihn einige Ecken, Kanten und Schrammen ein. Die Musik ist grundsätzlich in der Schräge, und trotzdem, lieb hat man das alles dann doch irgendwie.
Wenn in "Milkshakes funnelcakes" der erste Geburtstag des Sprösslings begangen wird, ist das Anlass für übermütig galoppierende Drums, aber auch nachdenkliche Momente zwischendrin, zu "honey ice tea" gerät dann der letzte Versuch des beatleesken Refrains aber psychedelisch-majestätisch. Auffällig ist direkt, dass De Haan in seinen Stücken sehr viele Stimmungsnuancen abgedeckt, es geht mal in himmliche Höhen, die grabestiefe Niedergeschlagenheit wird aber auch zumindest angedeutet. "Road is rock" könnte zum Beispiel ein entspannter Ausflug bei brennender Nachmittagssonne sein, das Banjo bringt dann auch seine gemütliche Wild-West-Melodie an den Mann, ja, man denkt, dies könnte eine schöne Howard-Hawks-Titelmusik sein, doch irgendwo fehlt das Heldenhafte und überhaupt, man hat andere Sorgen, "you and your friend / destroy your bodies together". Immer schleicht sich in luftige Melodiefolgen ein gewisser abgründiger Schimmer hinein, kein Wunder also, dass De Haans Gesangsvortrag von einer desillusionierten Nüchternheit geprägt ist.
Aus dem etwas spießbürgerlichen Engtanz "Slow disco" wird so ein zähes Ringen darum, wer länger durchhält, "it's gonna be a lonely day", und auch der hippieske Tagtraum "A boat beneath a sunny sky" wird vor der aufkeimenden Ausgelassenheit noch von einem gravitätischen Cello eingefangen. Eine Aussage wie "I was always on the rise / Never saw no waterfall" schaltet zwischen sich und die glorreiche Vergangenheit eine mit müden Gitarren und wehmütigem Klavier ausgestattete Zwischenwelt. Es verwundert nicht, dass der größte Triumph mit rotierendem Schlagzeug und pausbäckigen Bläsern in einem Stück wie "Complicated two-step" direkt zu Beginn stattfindet, es reichen einige Momente, und schon hat der Song das hochfliegende Instrumentarium wieder eingeebnet. Momente der Freude, des unbeschwerten Seins sind auf "Kyd" immer vergänglich, es lauert das Abseitige, die Melancholie nur darauf, den Stücken den Wind aus den Segeln zu nehmen. So hat De Haan, verpackt in ein starkes Folk-Album, eigentlich das Ringen zwischen Freude und Trauer vertont, einen Sieger gibt es nicht, aber Hauptsache ist ja auch, dass das Kind nicht vom Stuhl fällt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Road is rock
- Silent disco
- No waterfall
Tracklist
- Milkshakes and funnelcakes
- Happiest man (at your funeral)
- Easy
- Road is rock
- Silent disco
- The shotgun position
- Haul away
- A boat beneath a sunny sky
- No waterfall
- Complicated two-step
- Skinny jeans
- Eureka
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Armin
2018-11-15 21:09:37- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Awkward I - Kyd (1 Beiträge / Letzter am 15.11.2018 - 21:09 Uhr)