Architects - Holy hell
Epitaph / IndigoVÖ: 09.11.2018
Grande Messe des Morts
Die neue Architects-Platte ist ein Album mit schwerwiegender Geschichte. Sie ist die erste Veröffentlichung der britischen Metalcore-Veteranen seit dem frühen Krebstod ihres Gitarristen Tom Searle. Dieser Umstand ist für "Holy hell" natürlich nicht nur deshalb maßgeblich, weil der Band damit ein enorm wichtiger Songwriter verloren geht, sondern auch, weil die Verarbeitung von Searles Tod in den neuen Songs thematisch eine zentrale Rolle spielt. Für Architects ist dieser Schritt ebenso wie das ihnen wiederfahrene Trauma ein drastischer Einschnitt, immerhin hatte sich der Vorgänger "All our gods have abandoned us" thematisch vor allem mit politischen und gesellschaftskritischen Themen beschäftigt. Sorgen muss man sich als Fan des Quintetts dennoch nicht machen, denn trotz seines komplizierten Kontexts setzt "Holy hell" recht unbeirrt die Wege seiner Vorgänger fort.
Deswegen kann auch die achte Architects-Platte die Stärken ausspielen, die die Band in den letzten Jahren etabliert hatte, und die das Quintett von dem teils wüsten Sumpf der musikalisch enorm eingeengten Metalcore-Kapellen abheben können. Die Briten wirken auf "Holy hell" sogar ein Stück epochaler als auf jedem ihrer bisherigen Alben. Große Streicher-Massen heben die frickelig-scharfen Gitarrenläufe von Josh Middleton in himmlische Sphären. Auch das brutale Geschrei von Frontmann Sam Carter gehört nach wie vor zur absoluten Genre-Spitze, weil er es im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen fertig bringt, eine melodische Hook mit martialischer Energie vorzutragen anstatt in zuckrig-schwachbrüstiges Pitch-Gesäusel zu verfallen. Mit diesen Mitteln inszenieren Architects zum Beispiel in "Hereafter" eine gigantische Hymne, die in ihrer fantastischen Aufmachung ihresgleichen sucht. Der Opener "Death is not defeat" bekommt das fast ebenso gut hin und baut seine Spannung zunächst mit einem flirrenden Streicherteppich auf, um schließlich in einen dreckig-rohen Breakdown zu stürzen, der im Gegensatz zu den kalkulierten und zahmen Ausbrüchen vieler Genre-Zeitgenossen tatsächlich scharfkantig daherkommt.
Trotz seiner famosen Inszenierung und seinem tragischen Hintergrund bringt es "Holy hell" aber nicht fertig, ein neues "Stage four" zu werden. Dazu entgleitet Architects über die Breite ihrer achten Platte zu sehr ein übergreifender Spannungsbogen, der aus einem schematischen Korsett ausbrechen und dadurch überraschen könnte. Eine derart mitreißende Komposition wie besagtes "Death is not defeat" gelingt der Truppe bei anderen Songs des Albums nämlich zu selten. Meist brechen Architects relativ unvermittelt in ihre halsbrecherischen Riff-Läufe, was dafür sorgt, dass der Effekt der größtmöglichen Geste über die Gesamtdauer von "Holy hell" etwas verfliegt. Ebenjenes gilt für die obligatorischen Breakdowns und das etwas zu oft eingesetzte Herunterfahren des Instrumentariums zugunsten einer ruhigen Streicherpassage, um den nächsten Ausbruch übertrieben heftig erscheinen zu lassen. Im Gesamteindruck gerät "Holy hell" daher etwas zu kalkuliert, ist aber trotzdem ein Ausrufezeichen im Kontext eines Genres, in dem seit Jahren nur noch wenig floriert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Death is not defeat
- Hereafter
Tracklist
- Death is not defeat
- Hereafter
- Mortal after all
- Holy hell
- Damnation
- Royal beggars
- Modern misery
- Dying to heal
- The seventh circle
- Doomsday
- A wasted hymn
Im Forum kommentieren
hubschrauberpilot
2019-02-11 17:03:50
Für mich auch kein weltbewegendes Album, aber solide. Leider viel Standard-Geknüppel und die Synths hätte man etwas reduzieren können. Mortal after all und Doomsday find ich gut. 6/10
boneless
2018-11-27 19:51:06
Meine Fresse sind diese Synths scheiße. Ich habe nichts gegen Pathos (vor allem, weil es im modernen Metalcore kaum ohne geht), aber Architects kleistern aktuell fast jegliches gute Riff mit diesem Mist zu. Ich dachte zwar, dass es nach dem absolut fürchterlichen Opener besser wird, aber leider irrte ich. Bei so viel Plastik sinkt meine Lust schnell gegen 0. Was nützen einem fette Parts, wenn Sekunden später alles in Kitsch ertränkt wird? Argh! Hier wäre weniger so viel mehr gewesen. Da haben August Burns Red im letzten Jahr das deutlich bessere Album abgeliefert.
A
2018-11-23 23:00:17
Jemand postet "Aber Hauptsache erstmal meckern!" unter Affengitarres Beitrag. Ob das nun gerade geistreich war, bleibe dahingestellt, zumindest schien die Netiquette in Gefahr, denn der Kommentar musste gelöscht werden. Dann beschwert sich derjenige einigermaßen sachlich über die Löschung was - mitsamt meiner angehängten Zustimmung - wiederum gelöscht wird und ich frage mich wirklich, ob demjenigen das nicht selber langsam peinlich ist. Von mir aus kann das hier auch wieder gelöscht werden, ich schicke es eh noch per Mehl an Armin.
Affengitarre
2018-11-23 18:36:59
Doch doch, das Album wächst schon. Und da ich auch teilweise ziemlich kitschresistent bin, stören mich die stärker betonten elektronischen Elemente, das Orchester und die cleaneren Cleans auch nicht sooo sehr. Auch "Doomsday", was mir am Anfang nicht so gut gefallen hat, finde ich inzwischen echt gut. Starkes Riff (wohl noch von Tom Searle), die Gesangsmelodie ist super catchy und dieser Part ab 0:52 mit diesen vertrackten Drums ist echt toll.
Affengitarre
2018-11-16 21:26:31
"Seventh Circle" ist wirklich geil und da kommt wirklich "Hollow Crown"-Stimmung auf, aber der Rest, hm. Und doch, das klingt ziemlich oft nach BMTH zur "Sempiternal"-Zeit, mit seinen dramatischen Streichern, Elektrospielereien und dem Gesang, der immer zwischen Popgesang und Screams pendelt. Und sonst ist das auch nicht wirklich ein Schritt weg von den Alben davor. Das wurde jetzt ein bisschen neu justiert, aber die Elemente sind doch immer noch die gleichen. Da hätte ich mir, nachdem "All Our Gods.." schon so nah an "Lost Forever.." war, doch eine stärkere Neuausrichtung gewünscht.
Aber schlecht ist es erstmal nicht.
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