Swearin' - Fall into the sun

Merge / Cargo
VÖ: 05.10.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Left and leaving

Als Allison Crutchfield im letzten Jahr ihr Solo-Debüt "Tourist in this town" veröffentlichte, schien das Kapitel ihrer Stammband Swearin' endgültig abgeschlossen. Nicht nur, dass Crutchfield eine Hälfte des am meisten gehypten Geschwisterpaars der Indie-Szene ist, durch die private Trennung von Bandmitglied Kyle Gilbride schien dem Dreiergespann aus Philadelphia auch die Existenzgrundlage entzogen. Crutchfield selbst prognostizierte, dass Swearin' keine Show mehr zusammen spielen würden, geschweige denn noch mal gemeinsam Musik veröffentlichen. Dass jetzt ungefähr ein Jahr später das dritte Swearin'-Album "Fall into the sun" vorliegt, erscheint da als kleines Wunder und ist nur damit zu erklären, dass Crutchfield und Gilbride nicht mühsam die alte Chemie wieder herstellen wollen, sondern diese Platte als Medium nutzen, um von ihren inzwischen eingenommenen Positionen hinter dem Scheideweg zu berichten. Und das macht die Sache erst wirklich spannend, denn niemand hätte ein Album gebraucht, welches Crutchfield halbherzig als Star-Vehikel dient. Stattdessen sind die elf Songs annähernd gleichmäßig aufgeteilt, beide Parteien kommen ausgiebig zu Wort.

Dabei fällt schnell auf, wer hier Verlassender und wer Zurückgebliebener ist. Die Songs, denen Crutchfield vorsteht, strotzen vor Gesundheit: Kernige, nach vorne preschende Riffs, ein klarer, geradliniger Gesang und auch die Melodien reißen energetisch mit. Dagegen hängt Gilbride mit seinen Songs merklich in den Seilen, das Gitarrenspiel nimmt zwar voluminös Raum ein, wirkt aber seltsam richtungslos und entkräftet. Bei Crutchfield jedoch ist alles Aufbruch. Im eröffnenden "Big change" kann sich das im Hintergrund agierende Riff kaum noch zurückhalten, während die Sängerin aus Alabama nostalgische Rückbesinnung betreibt: "The best years of our lives / we spent in some stranger's basement." Doch das war einmal, jetzt muss man weiterziehen, der Song explodiert und Crutchfield nimmt nicht mehr hin, dass die Stimmung ihres Lebensgefährten davon abhängt, welche Musik er gerade gehört hat, kein Kinderkram bitte. Anders agiert Gilbride zum Beispiel in "Dogpile". Knarzige Gitarren und tief grummelnder Bass etablieren ein antriebsloses Slackertum, dem es an Richtung und Entschluss fehlt, alles passiert per Zufall, "by pure dumb luck / I've gotten where I'm going."

Diese Diskrepanz zieht sich durch das gesamte Album, Crutchfield als aktiver, selbstbestimmter Part mit positiver Ausrichtung, und Gilbride, der passiv Ertragende. Was dieses Album dabei so gelungen macht, ist der Umstand, dass sowohl die kraftstrotzenden Pop-Punk-Hymnen Crutchfields, als auch die verletzlichen Versteckspiele Gilbrides absolut authentisch und künstlerisch gelungen sind. Wenn Crutchfield konstatiert, dass der Partner sich in eine leere Hülle verwandelt, weiß man, dass sie das nicht hinnehmen wird und weiterzieht. Einen ganz anderen Reiz versprüht das latent selbstmitleidige Lamentieren Gilbrides. Wenn er in "Stabilize" oder dem vertonten Roadmovie "Smoke or steam" inmitten von angeknacksten Grunge-Verletzlichkeiten so etwas wie Furor aufbringt, wirkt dies wie ein verzweifeltes Strampeln mit brüchiger Teenagerstimme. Ganz anders seine Partnerin: Im ausnahmsweise mal ruhigen "Anyway" zieht sie abgeklärt Bilanz, "You're angry at me / And I get it / You have every right to be." Das mag zwar bedauerlich sein, ändern wird es nichts mehr. So stellt sich übrigens auch die Frage, ob diese Platte mehr ein Abschluss als ein Neuanfang ist, denn zumindest von Crutchfields Seite scheint alles geklärt. Schade wäre es dennoch, den Swearin' klangen nie wahrhaftiger und dermaßen eindringlich.

(Martin Makolies)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Big change
  • Dogpile
  • Grow into a ghost

Tracklist

  1. Big change
  2. Dogpile
  3. Grow into a ghost
  4. Margaret
  5. Stabilize
  6. Untitled (LA)
  7. Treading
  8. Oil and water
  9. Smoke or steam
  10. Anyway
  11. Future hell
Gesamtspielzeit: 33:20 min

Im Forum kommentieren

dogs on tape

2019-01-26 16:56:38

Alle 3 Alben ohne Ausfall, wie aus einem Guß. Also eher das Gegenteil von Weezer ;) Gestern live in Hamburg gesehen. Kurz und knackig und gut. Mußte auch immer wieder an Martha denken.

saihttam

2018-11-08 00:34:58

Also sie haben vor diesem noch zwei weitere Alben rausgebracht. Einmal die s/t von 2012 und dann 2013 Surfing Strange. Beide etwa 30 Minuten lang und auf ähnlich gutem Niveau. Kann man eigentlich direkt hintereinander weg hören.

MasterOfDisaster69

2018-11-07 18:47:45

Da muss ich da mal reinhoeren. kannst Du was empfehlen ?

Danke.

saihttam

2018-11-07 18:20:26

So ist es, auch wenn ich die beiden Vorgänger noch besser finde. Aber schön, dass sie wieder da sind.

MasterOfDisaster69

2018-11-07 12:53:40

Also die Platte macht wirklich Spaß und hätte sicher mehr Beachtung verdient. Bands wie Pixies, Weezer, Sonic Youth, L7 wären bei den Referenzen auch nicht verkehrt…

Starke 7/10

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