Daughters - You won't get what you want

Ipecac / Rough Trade
VÖ: 02.11.2018
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die Schönheit des Ungeheuerlichen

Man würde sich schon wünschen, dass Daughters etwas regelmäßiger Platten veröffentlichen würden. Das bisher letzte Album der Band liegt mittlerweile sieben Jahre zurück und auch davor war das Quartett aus Rhode Island nicht unbedingt für Kontinuität im Release-Rhythmus bekannt. Wenn man allerdings bedenkt, wie intensiv sich die US-Amerikaner von Album zu Album weiterentwickeln, dann erscheint die jeweils benötigte Zeit schon gar nicht mehr so lang. Man führe sich nur einmal vor Augen, wie diese Band angefangen hat: "Canada songs", das Debüt der Band aus dem Jahr 2003, war ein spannungsbefreites und naives Grindcore-Geschrammel mit einer Spielzeit von geschlagenen elf Minuten. Im Jahr 2018 sind Daughters aber nun bei ihrem mittlerweile vierten Werk angekommen und liefern damit nicht weniger als ein gnadenloses Noiserock-Meisterwerk ab.

Natürlich kommt diese Entwicklung nicht von heute auf morgen. Auch auf ihrer selbstbetitelten Platte aus dem Jahr 2011 hatte sich die Band schon wesentlich gereifter präsentiert. Dass "You won't get what you want" aber noch einmal ein ganz anderes Level konzeptueller und musikalischer Energie erreicht, kann man spätestens nach den ersten fünf Minuten der Platte und dem Opener "City song" erahnen. Daughters eröffnen ihr viertes Album mit einem mantraartig schlagenden Beat aus einem düster schnarrenden Synthie-Bett und gehetzten Trommelschlägen. Frontmann Alexis Marchall vermag den Song durch seine vokale Performance zwischen Sprechgesang und gehetztem Stöhnen darüber mit derartiger Präsenz auszufüllen, dass die klaustrophobische Beklommenheit des Tracks zu einer regelrechten Tortur wird – aber eben eine, der man gespannt zuhört, weil man auf die Befreiung aus dem klanglichen Gefängnis wartet. Diese erfolgt nach einigen Minuten im martialischen Ausbruch des Songs, der wirklich alle Noise-Register zieht und damit mindestens so muskulös wie die kanadischen Dauerkrachmacher Metz im Donner tobt – mit dem Unterschied, dass Daughters ihre lärmenden Kunstwerke mit wesentlich mehr Weitsicht entwerfen.

Tatsächlich lassen sich auf "You won't get what you want" immer wieder Einflüsse der neueren Swans-Alben entdecken – und das nicht nur, weil Alexis Marchall mit dem eindringlichen Einsatz seiner Stimme immer näher an die Meisterklasse eines Michael Gira kommt, sondern auch, weil Daughters einen dissonanten und simplen Zyklus wie den in "Satan in the wait" über sieben Minuten spannen können. Dazu trägt vor allem die glockenhelle Synthesizer-Melodie bei, die einen genialen Kontrapunkt zum ansonsten maximal klirrenden Klangbild der Platte bietet und verdächtig an die Synthie-Tänzeleien aus Swans' "Screen shot" erinnert. Auch die erbarmungslos monotone Basslinie von "Ocean song" erinnert an die Heroen des Noise-Prog. Von einer Kopie ist das Album aber trotzdem weit entfernt, weil Daughters ihre wütenden Ausraster auch immer wieder sehr direkt formulieren. In hetzenden Rasereien wie "Long road no turns" oder "The reason they hate me" interpretiert die Band die Rastlosigkeit ihres Sounds als panischen Dauerlauf und lässt ihre scharfkantigen Beats immer wieder aufeinanderpeitschen. Dieser Horror-Trip wird durch extraterrestrische Elektronik-Flächen wie in "Less sex" perfekt, weil das kämpferisch beschworene Gefühl der Angst dadurch auch noch durch eine subtile Faszination des Unwirklichen ergänzt wird.

Dass Daughters zu einer derartigen Gigantenplatte in der Lage sind, ist nicht nur aufgrund ihrer Geschichte bemerkenswert. Denn "You won't get what you want" ist auch als isoliertes Werk betrachtet ein nahezu perfektes Noise-Feuerwerk, dass nicht in erster Linie durch seine urgewaltige Kraft besticht, sondern durch klingfingrig austariertes Songwriting und Sounddesign. Der Platte gelingt es, auf unglaublich intelligente Art und Weise schauderhafte Geschichten zu erzählen. Es ist ein Jammer, dass ein zukünftiger Output dieser Band wohl wie immer in den Sternen steht, denn Daughters haben mit diesem Werk ein Album geschaffen, das zum Genre-Referenzpunkt werden könnte und förmlich nach Fortführung schreit.

(Jakob Uhlig)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • City song
  • Satan in the wait
  • Less sex

Tracklist

  1. City song
  2. Long road no turns
  3. Satan in the wait
  4. The flammable man
  5. The lords song
  6. Less sex
  7. Daughter
  8. The reason they hate me
  9. Ocean song
  10. Guest house
Gesamtspielzeit: 48:40 min

Im Forum kommentieren

The MACHINA of God

2021-12-14 15:54:44

Mir ist klar, das vielen das egal ist. bei CK hatte ich nur das gefühl als ob ihm seine tochter am herzen liegt. Wohl nicht.

Ähm, sorry, aber what? Was hat das mit seiner Tochter zu tun? Und an sich hab ich irgendwie das Gefühl, dass du zur CK mehr weisst als ich.

ijb

2021-12-14 15:24:07

Ja, denk ich auch immer.

CK Louis kannte ich allerdings bis zum Bekanntwerden der Sache gar nicht. Hatte nie zuvor überhaupt (bewusst) von ihm gehört. (Bin zugegeben aber auch kein besonderer Stand-Up-Comedy-Verfolger.)

Fiep

2021-12-14 15:22:18

Klar. und jedes mal denk ich mir, wen sie in so eine situation kommen, wie sie sich nicht denken, "würde ich sowas meiner tochter zumuten? dann sollte ich besser sein als das"

Mir ist klar, das vielen das egal ist. bei CK hatte ich nur das gefühl als ob ihm seine tochter am herzen liegt. Wohl nicht.

ijb

2021-12-14 15:19:32

Naja, viele übergriffige, gewalttätige oder/und empathiemangelnde Männer/Menschen haben Töchter...

Fiep

2021-12-14 15:05:32

@Klaus:
Die aussage von alexis ist eine typische täter aussage, ich geb drauf nicht viel. Aus all den beschreibungen und aussagen von ihm würd ich mal behaupten dads jede beziehung für ihn in ner gewissen weise toxisch ist.

Einfach band auflösen ist auch etwas feige, ohne statement.


Und thema Louis CK... klar stand das nicht in relation zu weinstein und co.
Einen reifen und reflektierten umgang mit dem ganzen hat er aber auch nicht an den tag gelegt.
Dabei schreckt mich ja auch eben, das er selbst eine (oder mehrere?) töchter hat.

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