Richard Swift - The hex

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 21.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der überflüssige Beweis

Mitte Juni 2018 ging ein Hilferuf durch große Teile der amerikanischen Indie-Rock-Szene. Bei Richard Swift war eine lebensgefährdende Krankheit diagnostiziert worden, über eine GoFundMe-Kampagne sollte die Behandlung finanziert werden. Die Liste der Künstler, die zur Unterstützung der Kampagne aufriefen, ist lang. The Black Keys, The Shins, Damien Jurado und Kevin Morby gehörten dazu. Wem der Name Richard Swift dennoch nichts sagt, der braucht sich nicht zu schämen. Große Teile seines Lebens als Musiker hat er in einer Rolle als Produzent, Mentor und Muse in Personalunion verbracht, unter anderem für die bereits erwähnten Künstler. In Oregon gründete er das National Freedom Studio, in dem er neben vier Alben für Damien Jurado auch zwei Platten von Nathaniel Rateliff und eine von Foxygen produzierte. Als begabter Multi-Instrumentalist ist er auf zahlreichen weiteren Alben als Musiker vertreten. Seine fünf bisherigen Solo-Veröffentlichungen waren zwar weniger erfolgreich als die von ihm produzierten, dennoch demonstrierte Swift auf jedem einzelnen, was für ein begabter Songwriter er war. Denn am 3. Juli 2018 ist er seinen Leber- und Nierenleiden im Zuge von Komplikationen einer Hepatitis erlegen.

Mit "The hex" wird nach sechsjähriger Arbeit nun posthum Swifts letztes Album veröffentlicht. Ein wirres, wildes und wunderbar vielseitiges Werk, das von Blues, Soul, Garagerock und Baroque-Pop gleichermaßen durchzogen ist. Die elf Stücke taumeln in einer Welt aus Verzweiflung, Trauer, Alkoholismus und Ironie hin und her – und lehren den Hörer das Taumeln gleich mit. Auf das gespenstische "The hex", in dem sich Swift in seiner sanft schwingenden Falsettstimme von etwas oder jemandem lossagt, folgt der gut aufgelegte "Broken finger blues", in dem ein Piano im Zentrum steht, das immer wieder von einem Cembalo und fuzzigen Gitarren-Soli unterfüttert wird. Lyrics wie "My body is broken / My body is bruised / Try to remember / What it's like not to lose" stehen konträr zu den fröhlichen Instrumentals, die einem der aktuelleren Black Keys-Alben ebenfalls gut zu Gesicht stehen würden. Durch diese Ambivalenz wird "The hex" erst richtig interessant. In dem selben Spannungsfeld bewegt sich "Dirty Jim": Ein freudig stimmendes Piano-Motiv wird von knalligen Drums durch das Lied geschleppt, während Swift erneut von düsteren Kämpfen mit sich selbst erzählt. An das Ende des Songs stellt er die überraschend optimistische Zeile "Every color now is shining through". Ein Lichtblick in einem lyrisch sonst düsteren Album.

Der konsequente Lo-Fi-Sound mit viel Hall und schepperndem Schlagzeug erzeugt einen wundersamen Sog und hält den Hörer irgendwo zwischen Mitwippen und melancholischem ins Nichts Starren gefangen. "When I went to the river, 'cause the river wouldn't bend to me / And I saw my reflection but I hated what I seen" singt Swift in "Wendy" und lässt darauf den eingängigsten Refrain des Albums folgen. Die Glockenspiel-Melodie gehört zu den schönsten Momenten der Platte. "Kensington!" erzählt in Spoken-Word-Form von einer Expedition, die einen unschönen Ausgang nimmt, während ein hektischer Schlagzeug-Rhythmus unnachgiebig weiter drängt und eine böse verzerrte Gitarre die Höhepunkte der Erzählung lautmalerisch unterstreicht. "The hex" lohnt sich nicht nur, weil man ständig den Einfluss der zahlreichen Künstler zu hören meint, mit denen Swift kollaboriert hat. Denn wahrscheinlicher ist es, dass er selbst Einfluss auf die namhaften Musikerkollegen hatte. Richard Swifts letztes Album liefert den überflüssigen Beweis, dass ein fantastischer Musiker viel zu früh gestorben ist.

(Simon Conrads)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Broken finger blues
  • Dirty Jim
  • Wendy
  • Kensington!

Tracklist

  1. The hex
  2. Broken finger blues
  3. Selfishmath
  4. Dirty Jim
  5. Babylon
  6. Wendy
  7. Sister song
  8. Nancy
  9. HZLWD
  10. Kensington!
  11. Sept20
Gesamtspielzeit: 37:23 min

Im Forum kommentieren

Johnny Utah

2018-11-09 11:34:02

Da muss ich unbedingt noch reinhören. Ich verehre seine Arbeit als Produzent mit Kevin Morby (City Music) und vor allem mit Damien Jurado - hier vor allem die Maraqopa-Triologie! Sehr tragisch dass er nicht mehr unter uns weilt. War neben seinem musikalischen Talent ein sehr witziger und sympathischer Zeitgenosse, soweit man das über seine sozialen Medien und Interviews beurteilen konnte.

MopedTobias (Marvin)

2018-11-09 10:37:02

? Das gibt's seit Ende September.

Knörx

2018-11-08 22:53:59

"Schade, dass das niemanden juckt."
Wie denn auch? Das Album erscheint am 7. Dezember!

MopedTobias (Marvin)

2018-11-08 20:59:47

Kenne seinen bisherigen Output nicht, aber das ist echt gut. Starkes Album zwischen Lo-Fi-Soul, Retro-Pop und bisschen Garagenrock. Schade, dass das niemanden juckt.

Armin

2018-10-14 19:57:30- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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