How To Dress Well - The anteroom
Domino / GoodToGoVÖ: 19.10.2018
Robot love
Beim Blick auf die Tracklist der neuen Platte von How To Dress Well kann einem durchaus mal schwindelig werden. Und auch die Musik klingt aufs erste Ohr ungewohnt, teilweise verstörend, dadurch aber sicherlich nicht minder intensiv: Tom Krell, so der bürgerliche Name des Künstlers, versetzt seinen bis dato so dünnhäutigen Post-R'n'B mit Störgeräuschen, rauschenden und rauschhaften Instrumentals und unheimlichen Soundfetzen und schlägt damit eine ziemlich neue Richtung ein. Vorbei die Zeiten des aseptischen Funkelns, jetzt wird es düster, dringlich, undurchschaubar. "The anteroom" ist die fünfte Platte des Mannes aus Colorado und gewiss die experimentellste. Irgendwann war der Pitchfork-Liebling nämlich an einem Punkt angelangt, an dem es künstlerisch nicht mehr wirklich vorwärts ging. Er zog nach Los Angeles, laut Eigenaussage ein "verrückter", aber auch "schrecklicher" Ort und erlebte dort, wie die amerikanische Gesellschaft immer mehr erodierte. Sein neues Album soll eine Antwort darauf sein, aber auch von persönlichen Themen erzählen. Dass er hierfür eine so unmenschliche und futuristische Soundlandschaft als Background auserkoren hat, scheint nur auf den ersten Blick paradox.
Hört man nämlich genauer hin, merkt man recht bald, dass "The anteroom" trotz aller Spielereien und Finessen tiefer unter die Haut geht als seine Vorgänger: Während kühle, nicht selten industriell angehauchte Beats pumpen, brodeln und fiepen und den Körper weich klopfen, platzieren Krells Vocals subkutan zarte Elektrostöße. Menschliche Emotionen treffen in diesen 13 durchweg spannenden Kompositionen auf entmenschlicht wirkende Electronica. Ein Gegensatz, den man so ähnlich von Baths' frühen Alben kennt. Insbesondere das tolle, hochmelancholische "Love means taking action" erinnert an Will Wiesenfelds Projekt, aber auch Hot-Chip-Frontmann Alexis Taylor kommt unweigerlich in den Sinn: Die Keyboards bilden spiegelglatte Flächen, der Regenmacher sorgt fürs richtige Ambiente. Der Opener "Humans disguised as animals / Nonkilling I" baut hingegen zunächst Spannung auf, Krells Stimme klingt intim, er haucht die Worte eher, als dass er sie singt, kurz danach tritt ein Verfremdungseffekt ein, der jegliche Nähe ad absurdum zu führen scheint. Dieses Spiel wiederholt sich auf "The anteroom" immer wieder, zieht sich wie ein Grundmotiv durch viele der hier versammelten Stücke.
Entsprechend logisch erscheint daher auch die auf den ersten Blick unübersichtliche Tracklist: Interludes und intermittierende Klangcollagen fungieren als Gerüst für How To Dress Wells Songs, bilden den Kitt, der hier alles zusammenhält. Vor diesem Hintergrund ist besonders "Nonkilling 3 / The anteroom / False skull 1" herauszuheben: Technoide Beats führen zunächst auf die falsche Fährte, – Burial lässt grüßen – doch mit dem Einsetzen der Vocals verändert auch die Instrumentierung ihren Aggregatzustand, wird zunehmend zugänglicher, kondensiert ins Melodische. "Nonkilling 6 / Hunger" überzeugt im Folgenden mit Tanzbarkeit, wobei auch das Herz im Takt mithüpft. How To Dress Well gelingt in solchen Momenten der schwierige Spagat, beatgesteuerte Electronica warm und organisch klingen zu lassen, ohne auf den Wumms zu verzichten. Eine Leistung, die man so von Krell vermutlich nicht erwartet hätte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nonkilling 3 / The anteroom / False skull 1
- Love means taking action
- Brutal (feat. Ocean Vuong) / False skull 5
Tracklist
- Humans disguised as animals / Nonkilling I
- Body fat
- False skull 7
- Nonkilling 3 / The anteroom / False skull 1
- Vacant boat
- Nonkilling 13 / Ceiling for the sky
- A memory, the spinning of a body / Nonkilling 2
- Nonkilling 6 / Hunger
- July 13 no hope no pain
- Love means taking action
- Brutal (feat. Ocean Vuong) / False skull 5
- False skull 12
- Nothing
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saihttam
2019-01-17 12:14:03
Jo, hab es ähnlich empfunden. Ich hätte schon Lust mich ein bisschen tiefer ins Album einzuarbeiten, aber morgen kommt ja gleich ein ganzer Stoß interessanter ALben raus. Mal schauen, ob sich da die Zeit findet.
MopedTobias (Marvin)
2019-01-17 08:48:40
Ich hatte es auch irgendwie verpasst, aber vor ein, zwei Wochen nachgeholt und was in den "Welches Album..."-Thread geschrieben. Definitiv sein experimentellstes Album bisher, zwar klarer produziert, aber noch viel kaputter und sperriger als "Love Remains". Diese härteren Instrumentalpassagen und die Industrial-Elemente sind echt ungewohnt für ihn. Faszinierende Platte mit ein paar tollen Momenten, bräuchte aber wohl noch etwas Zeit, die ich ihr aktuell nicht geben kann.
saihttam
2019-01-17 01:22:56
Hab das ja letztes Jahr völlig verpasst und höre gerade rein. Es scheint wieder deutlich experimenteller und verhangener zuzugehen, was mir aufs erste Ohr gefällt. Bin gespannt wie es weitergeht.
Der Rest hats auch verpasst oder interessiert How To Dress Well einfach niemanden mehr?
Armin
2018-10-14 19:54:37- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2018-09-11 00:01:09- Newsbeitrag
HOW TO DRESS WELL
NEUES ALBUM ’THE ANTEROOM’ ERSCHEINT AM 19.10.18 VIA DOMINO/GOODTOGO
ERSTES VIDEO ZUM SONG 'NONKILLING 6 I HUNGER' HIER ANSEHEN
How To Dress Well veröffentlicht am 19. Oktober auf Domino sein neues Album The Anteroom. Das von Joel Ford (Ford & Lopatin, Airbird) koproduzierte Album ist als ein einziges kontinuierliches Stück psychedelischer Musik des 21. Jahrhunderts konzipiert und das bislang aufregendste Soundexperiment von Tom Krell. Außerdem sind die Geschichten, die Krell auf dieser Platte erzählt - einige biographisch, viele aus den verwinkeltesten Ecken des menschlichen Lebens - zutiefst persönlich und menschlich. The Anteroom - mit seinem elektronischen Rauschen, zerbrechlichen Melodien und ergreifender Poesie - greift den experimentellen Kern des HTDW-Projekts auf.
Tom Krell sagt: "Ich habe die Platte geschrieben, nachdem ich nach Los Angeles gezogen bin. Ein verrückter und vielleicht der schrecklichste Ort den es gibt. Es war kurz nach den Wahlen 2016, wo Hölle und Tod um uns herum an jeder Ecke der Welt an Boden gewannen. The Anteroom ist das Zeugnis dieser zwei Jahre, in denen ich mich aus der Welt geworfen fühlte, in eine kosmische Einsamkeit, in der ich schließlich aufgelöst wurde. Um mir einen Weg zurück zu bahnen, begann ich meine Position als eine Art Vorraum zu verstehen - einen Raum dazwischen - eine Kammer, die das bekannte und das unbekannte, stabile Leben vom totalen Zerfall trennt.“
Krell schlenderte über tückische Abgründe, lebte an einem unheimlichen neuen Ort und fand seinen Weg zurück zum Klang und zur Inspiration seines Frühwerks und zu seiner bisher größten Aussage - dem Höhepunkt einer 10-jährigen Reise und dem Beginn einer kühnen neuen.
Heute teilt How To Dress Well die erste Single aus dem Album - "Nonkilling 6 | Hunger". Der Song beginnt mit einer Strophe von Li Young-Lee, einem der vielen Dichter, die in The Anteroom gesampelt und vorgestellt wurden. Das Video ist eine Gemeinschaftsarbeit, geschrieben und geleitet von Krell und dem bildenden Künstler Justin Daashuur Hopkins, mit Hilfe von Hopkins' NOH/WAVE-Kollektiv. Ein Großteil der Videofunktionen wurde interaktiv von Cloaking generiert, und alle Effekte im Video wurden durch die Kombination von digitalen Effekten mit analogen Kameratechniken erzeugt. Dadurch entstand ein physisch intensiver Lo-fi/Hi-Fi-Hybrid, eine Vereinigung, die in der Musik von The Anteroom widergespiegelt wird.
Link zu den vollständigen Lyrics
http://smarturl.it/HTDWLyrics
How To Dress Well live
23.10.2018 Berlin, Silent Green
Tracklisting:
01. Humans Disguised as Animals | Nonkilling 1
02. Body Fat
03. False Skull 7
04. Nonkilling 3 | The Anteroom | False Skull 1
05. Vacant Boat
06. Nonkilling 13 | Ceiling for the Sky
07. A Memory, The Spinning of a Body | Nonkilling 2
08. Nonkilling 6 | Hunger
09. July 13 No Hope No Pain
10. Love Means Taking Action
11. Brutal (feat. Ocean Vuong) | False Skull 5
12. False Skull 12
13. Nothing
The Anteroom wird am 19. Oktober 2018 auf CD, Doppel-LP, Download und Stream erhältlich sein. Eine exklusive Domino Mart Doppel LP mit schwerem Silbervinyl, ausklappbarem Poster/Booklet und einem geätzten, klaren 10" Vinyl mit 2 exklusiven Songs kann jetzt vorbestellt werden. Die CD und LP enthalten verschiedene Albumcover, die jeweils von Joshua James Clancy gestaltet wurden.
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