Young Mountain - Lost tree

Through Love / Indigo
VÖ: 14.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Where is my mind?

Himmel und Hölle liegen bekanntlich nah beieinander, schmal ist der Grat zwischen Glück und Verderben. Wovon unzählige Gedichte, Filme und auch Songs handeln, hat eine kleine Band aus Göteborg nun in Klänge umgesetzt – und das in einer schonungslosen Konsequenz, die vielleicht aussagekräftiger als jeder Roman die Abgründe des Menschseins studiert. Mit einem sowohl höllischen als auch sensiblen Gebräu aus Post-Hardcore, Post-Metal, Ambient und Indie schreien sich Young Mountain auf "Lost tree" ihren Schmerz von der Seele.

Dabei geht es ihnen um mehr als nur darum, ihren eigenen Weltschmerz zu verarbeiten. "Lost tree" ist eine Geschichte über die Verschiebung mehrerer Realitäten. Mit dem Kunstgriff der Fiktion geben Young Mountain einen Einblick in die psychische Erkrankung der Identitätsstörung und versuchen dabei, die mentale Zerrissenheit musikalisch zugänglich zu gestalten. Und tatsächlich ist die klangliche Reise von "Lost tree" so abwechslungsreich und vielfältig, dass man sich wundert, doch die gleiche Handschrift erkennen zu können.

Der diabolisch screamende Opener "Asunder, to eye eachother" und "Vacant eyes" mit durchgängigem Black-Metal-Blastbeat und der Zeile "Bones are crumbling / Now we choke the realization of being wrong" stehen dabei für die eine Seite der Medaille. Um ihre Hörer nicht zu verlieren, bleiben die Schweden trotz abgründiger Atmosphäre stets zugänglich und nahbar. Die immer wieder aufkeimende Hoffnung und das Licht am Ende des Tunnels, das am Ende doch wieder enttäuscht wird, äußern das Quintett dabei mit sphärischem, an manchen Stellen fast süßlichem Indie und tröstendem Shoegaze: "The sun is away" erinnert an den Dreampop der modernen Turnover und kommt vollständig ohne gutturalen Gesang aus. Die Schlagkraft der Worte sind auch so niederschmetternd genug: "Don't sing that sad hymn anymore / Tonight winter will come / And all the colors will run away."

In reverb-getränkten Ambient-Passagen erinnern Young Mountain überdies an den nagenden Selbstzweifel, den auch Being As An Ocean groß machte: "Did you get alle things in life that you wanted? / And you said that you’re scared of the ways of living", singen Young Mountain in "Misery", das ein sich bis zum finalen Auseinanderfallen aufbäumender Spannungsbogen zum Highlight des Albums macht. "I flew over your house last night" beschließt diese Tour de Force mit einer Blackgaze-Wucht, die auch Deafheaven stolz machen würde. Klüger lässt einen "Lost tree" vielleicht nicht zurück, aber gereinigt durch eine emotionale Tortur – und mit der Gewissheit, eine fremde Gefühlswelt erkundet zu haben.

(Julius Krämer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Asunder, to eye eachother
  • Misery

Tracklist

  1. Asunder, to eye eachother
  2. The sun is away
  3. ////////////////
  4. Misery
  5. June
  6. Vacant eyes
  7. Lost tree
  8. I flew over your house last night
Gesamtspielzeit: 41:09 min

Im Forum kommentieren

MartinS

2018-10-10 20:32:53

Nach dem ersten Hören: Vielleicht ein bisschen generisch, aber auf jeden Fall ein Album, dass ich mir noch öfter anhören werde. Gerade die Mitte gefällt mir auf Anhieb.

Armin

2018-10-04 21:30:19- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?



eric

2018-07-26 10:35:57

Schwedische Newcomer zwischen HC und Metal. Könnte was für Deafheaven-Fans sein.



Joakim und Kami lernten Eric Jorgensen (Drums) und Angelo Boszodi (Bass) durch einen gemeinsamen Freund kennen und veröffentlichten anschließend als YOUNG MOUNTAIN ihre Debüt-EP "Fragile". Gitarrist und Sänger Jesper Jungermark Johansson (Gitarre, Gesang) komplettierte fürs Erste die Band, die nun als Quintett erneut ins Studio ging, um an ihrer zweiten EP "We Slowing" zu arbeiten. Nach Abschluss ihrer Europatour mit Raein und Pianos Become The Teeth und der Veröffentlichung ihrer dritten EP "The Garden of Biological Machines" stiegen Jörgensen und Boszodi jedoch wieder aus der Band aus. Young Mountain machten mit dem Bassisten John Jonsén aus der Post-Hardcore-Band Celestica und dem Vaarggrav-Schlagzeuger Jakob Ekvall weiter, die neue Ideen mit in die Band brachten. Mit neuem Line-up spielten YOUNG MOUNTAIN auf den beiden Screamo-Festivals Miss The Stars Fest und dem Fluff Fest, bevor sie sich zurückzogen um gemeinsam an ihrem Debütalbum zu arbeiten.

Schon früh entschieden sie sich dafür, dass sie etwas schaffen wollten, was den Menschen aufgrund ihrer persönlichen Natur schwer zu zeigen war. Es war nicht nur ein Konzept, sondern auch eine Form der Therapie. „Wir hofften, dass wir mit dem Album dem Hörer einen Einblick in "Identitätsstörung" zu geben, ohne ihn mit bestimmten Menschen in unserem Leben zu verbinden zu müssen. Es ist sehr schade, dass dieses Thema bei den meisten Leuten immer noch ein Tabuthema ist. Also haben wir uns dazu entschieden die Realität in einer fiktiven Geschichte namens “Lost Tree“ zu verpacken.“

„Es ist eine Geschichte über die Verschiebung zwischen scheinbar mehreren Realitäten. Die Texte basieren auf realen Situationen und wiederkehrenden Träumen, die ich über einen Zeitraum von 3 Jahren hatte. Wir wollten, dass das Album als Soundtrack zur der Geschichte gespielt wird. Inspiriert wurde der Sound des Albums von atmosphärischer, elektronischer Musik über Indie-Pop bis hin zu Post-Metal. Es ist irgendwie traurig und glücklich zu gleich. Es ist eine Mischung aus tausenden von Emotionen, die alle um das Scheinwerferlicht kämpfen. Es war alles erlaubt um die Geschichte voranzubringen, solange es klang wie Young Mountain.“

YOUNG MOUNTAIN sind Kami Kalantari (Gesang), Jesper J. Hungermark (Gitarre), Jakob Ekvall (Schlagzeug) und Joakim Martinsson (Gitarre). John Jonsén schrieb und spielte Bass auf dem Album, hat aber die Band aber wieder verlassen.


LOST TREE DEBUT-LP:
01. Asunder, To Eye Each Other
02. The Sun Is Away
03. ///////////////
04. Misery
05. Juni
06. Vacant Eyes [Video]
07. Lost Tree
08. I Flew Above Your House

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