
Doe - Grow into it
Big Scary Monsters / The Orchard / Al!veVÖ: 28.09.2018
Voller Unannehmlichkeiten und Pickel
Peter-Pan-Bösewicht Captain Hook hat es doch sehr treffend zusammengefasst: "Erwachsen werden ist so eine barbarische Angelegenheit ... voller Unannehmlichkeiten und Pickel." Kein Wunder also, dass es zahlreiche Bands gibt, die von ewiger Jugend träumen. Man denke beispielsweise an Blink-182s Überhit "What’s my age again?", in dem der Protagonist von seiner Freundin verlassen wird, weil ihm seine Fernsehsendungen wichtiger sind, als die Beziehung. Nicola Leel, Sängerin und Gitarristin des Londoner Trios Doe, will deren Zweitwerk nun als Antithese zu diesen "Wir-werden-niemals-erwachsen-Alben" verstanden wissen. Nach vier EPs und dem 2016 erschienen Debüt-Album "Some things last longer than you" klingt "Grow into it" auch tatsächlich wie eine Weiterentwicklung. Zehn abgeklärte und reife Songs mit Neunzigerjahre-Alternative-Rock Einfärbung berichten von den Tücken des Älterwerdens – Gott sei Dank aber nicht von Pickeln.
In "My friends" stolpern zwei Schrammel-Gitarren übereinander in ein wildes Riff-Getöse, das in eine zurückgenommene, ruhige Strophe aufgelöst wird. Diese Laut-Leise-Dynamik beherrschen Doe genauso gut, wie die frühen Weezer und das Lied ist die ideale Einführung in die Gedankenwelt der Sängerin. Leel erzählt von der Entfremdung von alten Freunden und schwingt sich im Refrain zur wütenden Erkenntnis "Change comes at my expense" auf, während Schlagzeuger Jake Popyura mit seinem Bridge-Gesang den nötigen Kitt liefert, um Strophe und Hook zu verbinden. Das Wechselspiel von Laut und Leise ist auch zentral in "Heated", das mit kleinen Kniffen wie quietschendem Gitarrenfeedback in den Breaks und dem energischen Backgroundgesang zu einem der Highlights des Albums wird.
Eine andere Unannehmlichkeit aus Leels Leben scheinen Trittbrettfahrer ihrer Verdienste zu sein, denen sie mit "Labour like I do" und "Team spirit" gleich zwei Lieder widmet. Ersteres besticht besonders durch den mit Nachdruck dargebotenen Refrain ("You never worry / Because you never had to / Give me what I give / Labour like I do"), letzteres durch die zielstrebige Steigerung ab der Hälfte des Songs. Das vergleichsweise ruhige "But it all looks the same" schildert die sich langsam einschleichende Resignation in einer passionslosen Beziehung, denn "it’s easy standing still". Der ausgedehnte Instrumental-Part in der Mitte gibt dem vorher so melancholischen Stück einen neuen, optimistischeren Eindruck, welches in seiner Ambiguität an "Hey" von den Pixies erinnert.
Das Trio verzichtet auf einen Bass, was durch die sich geschickt ergänzenden Gitarren allerdings nicht auffällt. Dass Popyura mit seinem Zweitgesang mehr Platz einnimmt, zahlt sich aus, vor allem im superben Abschlusstrack "Here in the dirt", in dem die Stimme des Schlagzeugers zeitweise in den Vordergrund rückt. Die Vielzahl an geschmeidigen Fills und die Halftime-Passage gegen Ende machen das Lied zu einem weiteren Highlight. Leels Texten zufolge ist erwachsen sein also in erster Linie mit bedrückenden Erkenntnissen verbunden, unter anderem, dass sogar in den Lieblingsbüchern kaum emanzipierte Frauenfiguren auftauchen ("Even fiction"). Machen Blink-182 dann vielleicht also doch alles richtig, wenn sie einfach für immer Teenager bleiben? Die Musik spricht für Doe.
Highlights & Tracklist
Highlights
- My friends
- But it all looks the same
- Heated
- Here in the dirt
Tracklist
- My friends
- Labour like I do
- One at a time
- Team spirit
- But it all looks the same
- Heated
- Motivates me
- Even fiction
- Cathy
- Here in the dirt
Im Forum kommentieren
MartinS
2018-10-10 19:13:36
Cooles Album, dem manchmal so ein bisschen der Fokus fehlt. Aber eine schöne Entdeckung.
Armin
2018-10-04 21:24:28- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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