Skin - Fleshwounds
Parlophone / EMIVÖ: 26.05.2003
Fleischlose Kost
Die wandelnde Randgruppe ist wieder da. Als Skunk Anansie vor einem knappen Jahrzehnt mit einer brüllenden, kahlrasierten, bisexuellen Schwarzen auf die Bühne sprangen, war das ein willkommener Tritt in rückwärtig liegende Körperteile. "Selling Jesus" plärrte uns Frontfrau Skin frontal ins Gesicht und war auch ansonsten reichlich geladen. Doch sie entblößte uns auch ihre zerbrechliche Seite. "Weak as I am", gestand sie, und "I don't want your charity". Mit "Hedonism" gelang der Band wenig später gar ein veritabler Welthit, und der Himmel war erst einmal voller Gitarren. Nach drei Alben und unzähligen schweißtreibenden Konzerten jedoch war aus dem sensibel wütenden Vierer die Luft raus.
Die viele Freizeit nach dem Ende ihrer Band vertrieb sich Skin wohl neben der Züchtung von Eigenhaar vor allem mit dem Lavieren in Selbstmitleid und Liebeskummer. Dieser entgeisternde Eindruck drängt sich jedenfalls spontan auf, wenn man sich zum ersten Mal dem versammelten Balladen-Schmus auf "Fleshwounds" aussetzt. Wo zum Teufel ist der Zorn geblieben, der Sarkasmus, die kontrollierte Aggression? Der stimmgewaltige Bürgerschreck von einst verteilt nur noch lauwarme Zuckerwatte, und die einstigen Zornesfalten sind vom brav gestutzten Pony verdeckt.
"I'm like a soldier / With no cause to fight" säuselt sie in "Trashed". Und das von jemandem, der früher mit Vorliebe Nachwuchs-Faschisten zerlegte? Spießig und bieder klingt Skin bisweilen, verzagt, brav und risikoarm. Hatten die sanften Momente früher immer noch ein paar Ausbrüche in Form von kantigen Gitarren oder knallenden Breaks zu bieten, gibt's hier nur ein paar freundliche Akustikklampfen, ein wenig Aushilfs-R'n'B, einen großzügigen Schwung Radiozucker und Streicher, Streicher, Streicher. Musik für Bankkauffrauen und andere Schreibtischtäter.
Der berührende Opener "Faithfulness" kann mit ein wenig verschnörkeltem Moll und dem bollernden Baß von Kumpel Cass die Enttäuschung immerhin erfolgreich hinauszögern. Doch sie wird kommen: Schmalz wie das igittig verkitschte "Til Tuesday" hätte sie früher nicht mal auf einer B-Seite versteckt. Selbst wenn sich die Gitarre wenigstens ansatzweise den Verzerrer traut, plätschert das derart handzahm dahin, daß man getrost Schwiegermutter zum Mithören einladen kann. Wie kann man diese grandiose Stimme nur mit solcherlei halbherzigem Gekuschel verschenken? Meist tonleitert sich Skin geradewegs an echten Gefühlen vorbei. "I'll try" setzt den zu Markte geschleiften Leidenschaften wenigstens ein wenig Power entgegen. "Burnt like you" hält sich vornehm zurück, und mitten in "Long as that's true" legt Skin plötzlich ihre stimmliche Zurückhaltung ab, um ihre Stimmbänder zu Höchstleistungen zu reizen - für einen kurzen Moment. Auf "Paranoid and sunburnt" sang sie noch ironisch "But I'm still just a cliché." Jetzt ist sie wirklich eins.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Faithfulness
- I'll try
- Long as that's true
Tracklist
- Faithfulness
- Trashed
- Don't let me down
- Listen to yourself
- Lost
- Trouble with me
- I'll try
- You made your bed
- Long as that's true
- Burnt like you
- Til morning
Im Forum kommentieren
logan
2003-11-19 16:43:28
Klingt ganz anders als Skunk Anansie. Nett. Aber nicht berauschend.
Selli
2003-11-17 21:02:19
ich fende sneue albom vo ere zom vergöttere!
Armin
2003-10-24 20:46:09
Bestimmt nicht. Die frühen Skunk Anansie-Sachen gefallen mir noch heute. Und auch Balladen wie "Brazen (Weep)". Aber das neue Album grenzt an Körperverletzung. Ich habe keinen ganzen Song durchgehalten.
Raventhird
2003-10-24 20:16:06
Bist du sicher, dass das nicht eine generelle Abneigung gegen Skins Stimme ist ?
Armin
2003-10-24 20:14:37
Ich habe mich noch nie getraut, den ganzen Song zu hören. Aber in der TV-Werbung tat es jedesmal in meinen Ohren weh.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen