Amber Arcades - European heartbreak

Heavenly / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 28.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Trans-Europa-Exzess

Vom Golf-Caddie Moby bis zur Biochemikerin Kim Deal – die Pop-Geschichte hat bereits eine Reihe von Musikerinnen und Musikern mit untypischen Haupt- oder Nebenberufen gesehen, zu denen sich seit kurzem auch Annelotte De Graaf hinzuzählen darf. Die Niederländerin, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Amber Arcades, arbeitete nämlich schon für die Regierung ihres Heimatlandes sowie für die UN, beschäftigte sich etwa mit Kriegsverbrechen oder Asylsuchenden. Ihrer Musik hört man ein solches Gewicht aufs erste Ohr aber überhaupt nicht an. "European heartbreak" zelebriert nostalgischen, zuckersüßen Jangle- und Dream-Pop im Geiste der Magnetic Fields, etwas weniger gitarrenlastig als noch auf dem Debüt "Fading lines", dafür mit umso elaborierteren Streicher- und Bläser-Arrangements. Doch unter der Oberfläche brodelt die politische Unzufriedenheit: "Europe, I'm sorry / You boarded up your windows and your doors / It smells like death is coming up through the floors", singt De Graaf in "Goodnight Europe", um danach noch etwas selbstironischen Zynismus hinterherzuschicken: "Europe, it's not you, I'm starting to think it's me / My left ideals and my university degree."

Was dieses Europa im Titel tragende, aber vollständig in den USA aufgenommene Album neben der Persönlichkeit seiner Erschafferin besonders stark macht, ist sein musikalischer Brückenschlag zwischen beiden Seiten des Atlantiks. Der Franko-Pop-Opener "Simple song" beginnt noch im Vorgarten Charlotte Gainsbourgs, doch bereits die folgenden "Hardly knew" und "Oh my love (What have we done)" vermengen Americana-Ästhetik, Velvet-Underground-Melodien und europäische Eleganz zu einer transkontinentalen Zaubersuppe. Gerade letzteres gelingt mit seinem himmelsöffnenden Trompeten-Refrain und juvenilem Augenzwinkern besonders großartig: "People are the worst and dating's such a bore." Auch besagtes "Goodnight Europe" platziert sich mit Britpop-Streichern und bluesigen Gitarren herrlich zwischen den Stühlen, das famose "Alpine town" braucht indes keinerlei kulturgeographische Einordnungen, um einfach nur einen riesengroßen Spaß zu machen. Wie eine Angel Olsen mit Shuffle-Rhythmus schlägt der Song zunächst ein paar bedächtigere Noten an, bis er in ein glamouröses, schillernd instrumentiertes Finale bricht und sich zwei Verse besonders einbrennen: "Everything's been done / But not by you and me."

Möglicherweise hat De Graaf hiermit einen bewussten Seitenhieb gegen ihre eigene Musik verfasst, doch bei so viel Leben, Dynamik und einfach großartigem Songwriting, mit denen sie diese füllt, ist der unverschämte Retro-Charakter auch völlig egal. "I've done the best" klimpert fröhlich als echter europäischer Country-Song nach vorne, während "Self-portrait in a car at night" nach ein paar Lehrstunden in der Alvvays-Schule der Melancholie mit Nylon-Gitarre und Streichern ein ganz entrückt-bezauberndes Bild zeichnet. Bis in die Sechziger zurückführen lassen sich "Something's gonna take your love away" und "Where did you go" – ersteres stellt sich als Verbeugung vor Dusty Springfield dar, letzteres als von Hammond-Orgeln nach vorne getriebenes Stück Power-Pop, das einen überraschend temporeichen Wendepunkt kurz vor Schluss bildet. Die zweite Hälfte von "European heartbreak" gestaltet sich nämlich auffallend ruhiger als die erste, exemplarisch steht "Antoine" als eine von dezenten Slide-Gitarren akzentuierte Piano-Ballade da, die eine vergangene Liebschaft reflektiert: "Was it something more than just a rush of blood?" Spätestens, wenn das finale "Baby, eternity" zwischen Spärlichkeit und instrumentalem Exzess changiert, kann man zumindest als Hörer diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Mit dieser Jahrzehnte und Kontinentalgrenzen überspannenden Musik, die mehr von De Graafs UN-Arbeit abbildet, als oberflächlich vermutet, kann es auf jeden Fall etwas Längerfristiges werden.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Oh my love (What have done)
  • Goodnight Europe
  • Alpine town
  • Where did you go

Tracklist

  1. Simple song
  2. Hardly knew
  3. Oh my love (What have we done)
  4. Goodnight Europe
  5. Alpine town
  6. I've done the best
  7. Self-portrait in a car at night
  8. Something's gonna take your love away
  9. Antoine
  10. Where did you go
  11. Baby, eternity
Gesamtspielzeit: 37:13 min

Im Forum kommentieren

@MopedTobias

2018-10-08 15:49:27

9/10 weil Atemlos durch die Nacht.

MopedTobias (Marvin)

2018-10-07 17:31:32

2/10? Was kriegen Mark Forster und Helene Fischer von dir?

Irgendwie doof

2018-10-07 12:57:04

Wird auch nach mehrmaligem Hören nicht besser.

2/10.

Eure Ø-Bewertung:

2018-10-07 01:10:58

3/10

Halbseidener

2018-10-06 23:34:35

Künstlername, Albumname und Cover sind lässig. Habe allerdings noch kein einziges Lied gehört.
7/10

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