Sumac - Love in shadow

Thrill Jockey / Rough Trade
VÖ: 21.09.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Verprügel mich sanft

Es ist nicht ganz klar, was am mittlerweile dritten Sumac-Album mehr überrascht. Dass gerade mal vier Tracks in einer ausladenden Spielzeit von über einer Stunde Platz gefunden haben? Oder doch der Titel "Love in shadow", der mehr nach einer viertklassigen Emo-Band klingt anstatt wie die unbarmherzige Naturgewalt, die Aaron Turner und seine Mitstreiter entfachen? Schon längst von seiner Ex-Band Isis emanzipiert, setzt er mit Drummer Nick Yacyshyn (Baptists) und Bassist Brian Cook (Russian Circles, These Arms Are Snakes) den Feldzug wider jegliche Konformität und Kompromisse fort. Auch wenn man einen winzigen Lichtstrahl von Letzteren durchaus an manchen Stellen erspähen kann. Als ob zum Ausgleich für die unhandliche Laufzeit der Stücke zwischen 12 und 21 Minuten die Songs selbst etwas weniger konfrontativ daherkommen und mehr Raum zum Verschnaufen bieten.

Zwar speisen sich die Kompositionen nach wie vor aus dem Groove, der seine Wurzeln im gemeinsamen Jam zwischen den Mitstreitern verortet: episch und heftig, jedoch gleichermaßen minimalistisch. Zum ersten Mal aber möchte man gar Worte wie "harmonisch" oder "idyllisch" für so manche Passage auf "Love in shadow" verwenden – Begriffe, die bisher von Sumac so weit weg waren wie Turner vom nächsten Friseurladen. Der Closer "Ecstasy of unbecoming" erschafft allerdings tatsächlich zu Anfang eine Idee der inneren Ruhe, Momente der Besinnung. Und das sperrige "The task" – als Opener gleich das längste Opus – gönnt sich am Ende sogar ein sphärisches Synth-Outro unterhalb der Growls. Wohlgemerkt: Das sind nur Passagen inmitten einer herrlichen Lärmorgie. Doch Sumac überraschen trotzdem auch anderweitig. Nachdem beispielsweise der erwähnte Eröffnungssong im Anschluss an die willkommenheißende Rage in einen bedächtigen Mittelteil kippt, erwartet man, dass er danach standesgemäß zurückkommt und auf die Pauke haut. Doch stattdessen irrt er verfangen in einer seltsamen, aber interessanten Leere dem Ende entgegen. "The task"? Unklar. Auch egal.

Deutlicher umrissen ist hingegen die fulminante Vorabsingle "Attis' blade", die mit hypnotisierender Repetition direkt in ein noisiges Gasgemisch eindringt und trotz heruntergefahrener Energie im Mittelteil die Verbindung zum Krach nie gänzlich kappt. Umgekehrt ist "Arcing silver" ein einziges, geduldiges Crescendo, mit jeder Iteration legen Sumac eine kleine Schippe drauf, bis das Stück die Abfahrt in ein dramatisches, intensives Finale nimmt. "Love in shadow" funktioniert wie erwartet nicht so sehr als strukturierte Attacke, sondern möchte als Reise genossen werden, die mit traumwandlerischer Sicherheit intuitiv zwischen Geprügel und knurriger Sanftheit oszilliert. Der Unmittelbarkeit zuträglich ist die Produktion, die den Hörer wie schon auf "The deal" und "What one becomes" mitten ins Aufnahmestudio hineinversetzt. Klar, dass der verhältnismäßig zugängliche Eindruck durch ein gewaltiges Finale in den letzten Momenten außerdem relativiert wird. Sumac klingen immer noch wie niemand anders. Und schon mal gar nicht so, wie es der Albumtitel androhen möchte.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Attis' blade

Tracklist

  1. The task
  2. Attis' blade
  3. Arcing silver
  4. Ecstasy of unbecoming
Gesamtspielzeit: 66:13 min

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Corristo

2019-10-05 00:14:10

Im Zuge der Veröffentlichung des neuen Tool-Albums ist mir aufgefallen, dass ich im Gegensatz zu früher neuen Alben kaum noch viele Gelegenheiten einräume, sich zu entfalten und erschließen. Beim ersten Hören wirkt es geradezu wie ein undurchdringliches Falsmassiv. Doch das Album hier ist ein herrlich garstiger Brocken, tatsächlich progressiv, intensiv und durchdacht. Man muss natürlich, wie eigentlich immer, in einer passenden Stimmung sein, doch dann nimmt es einen irgendwann einfach mit.

Meddl

2018-10-03 20:12:46

Bestes Album bisher, ohne Frage. Wer das nicht checkt ist taub. Die Songs kommen auch paradoxerweise angesichts der Überlange trotzdem auf den Punkt, alles wirkt durchdachter. Kurz: "Love In Shadow" ist mehr als die Summer seiner Teile. Würde sich im Turnerschen Schaffen auf jeden Fall in die Top 5 einreihen. Bis sehr froh endlich mal wieder diese Intensität, die ich mit Abstrichen seit Wavering Radiant nicht mehr gespürt hab, serviert zu bekommen. Das Drumming ist auch mal wieder absolut das Nonplusultra derzeit und Turners Growls sind auch einfach ne Bank, was natürlich wieder einigen Casuals sauer aufstoßen wird. Ich find's super.

boneless

2018-10-03 18:53:29

Ob es an die Keiji Haino-Kollaboration rankommt, kann ich aber noch nicht sagen.

Der war gut. :D

fitzkrawallo

2018-10-03 14:12:37

Fuer mich war "What One Becomes" schwaecher als "No Deal" weil es die etwas fixeren Strukturen des Debuts aufbrach, aber die improvisatorischen/atmosphaerischen Parts schlussendlich mir nicht konsequent genug umgesetzt hat. Dementsprechend sagt mir "Love in Shadow" nach den ersten Durchlaeufen mehr zu. Ob es an die Keiji Haino-Kollaboration rankommt, kann ich aber noch nicht sagen.

Marküs

2018-10-03 13:42:35

Ich bin gerne bereit, Turner und seinen Mannen auch in diesem Umfang meine Zeit zur Verfügung zu stellen, abgeholt haben sie mich dieses mal aber definitiv nur teilweise. Es wird wohl eine 6/10 werden.

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