Garda - Odds
K&F / Broken SilenceVÖ: 28.09.2018
Los, Heimat, los!
"A moment we've shared and lost / A place where we used to belong / Get rid of it / Even if it gets us nowhere." Garda haben ihre Heimat verlassen. Die sechs Bandmitglieder sind aus den sächsischen Dörfern, in denen sie geboren und aufgewachsen sind, ausgezogen, haben sich in Großstädten niedergelassen, und doch suchen sie nach noch mehr Veränderungen. "Odds", das dritte Album dieser Band, die sich mit jedem erneuten Werk mehr anhört wie enge, alte Freunde, die man viel zu selten sieht, ist die Erzählung einer Trennung, es ist ein Abschied von Personen, von Orten, von Gewohnheiten. Neun Geschichten über das Zerbrechen, das Aufsammeln, das Zusammenkleben. Neun mal mehr, mal weniger herzzerreißende Dichtungen über das Ausmisten des äußeren wie inneren Haushaltes, über das Suchen nach etwas Neuem, das Loslassen von etwas Altem. Es ist Gardas bis dato bestes Album.
Vielleicht klappt es jetzt mit dem Durchbruch. Zwei Versuche hat die Band bereits gestartet, den Anfang machte das 2008 veröffentlichte Debüt "Die, technique, die!", mit dem vier Jahre später erschienenen "A heart of a pro" setzten sie sogar noch einen drauf. Und dennoch: Das Kollektiv rund um Sänger Kai Lehmann ist nach wie vor viel zu unbekannt, betrachtet man sich mal ihr Können – so ist das manchmal mit der Gerechtigkeit. "Odds" könnte die Wende sein. Das eingangs erwähnte "Are we (...)?" weckt Erinnerungen an The National, es erzählt vom Umzug in eine andere Stadt, ein Chor im Hintergrund hinterlässt Gänsehaut, das ab der Mitte durchstartende Schlagzeug einen lange nachhallenden Rhythmus im Gehörgang, Lehmanns eindringlicher Gesang hingegen tiefe Fußabdrücke auf Mark und Bein.
Dann wäre da auch noch "Iron", die erste Single des Albums, die mit einem so schlichten wie wunderschönen Video aufwartet, das durch einen einsamen, dunklen Wald führt. Man versucht sich zu orientieren an Bäumen, an Blättern, an Spuren im Boden, es bleibt alles fremd und vertraut zugleich, Gardas musikalische Untermalung berührt und wärmt und wahrt dennoch eine gewisse Distanz. "It feels like nobody's home / It feels like that / When your sorrows leave their hole", besingen sie mit Streicherunterstützung die Heimatlosigkeit, bis ein Ausweg aus dem Wald in greifbarer Nähe ist. Aber ob man hier wirklich weg will?
Es ist genau dieser Zwiespalt, mit dem auch Garda spielen. Es bleibt dem Hörer selbst überlassen: Der Opener "Wild / Lights" wirkt beim ersten Hördurchgang unheilschwanger und beunruhigend, eine Art Störgeräusch erklingt in regelmäßigen Abständen, und dennoch mag man kaum weghören. Die sich langsam ausbreitende Melodie ist zu einnehmend, die eigenen vier Wände werden einmal ordentlich durchgefegt, bis danach ohnehin alles anders und fremdartig wirkt. Der zwischen Hell und Dunkel schwankende Indie-Pop von "Disappear" verschwindet nicht, sondern hält fest, an uns, an Dir, an ihr, an ihm, an der Vergangenheit, der Gegenwart, der Zukunft. Manchmal gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern nur das Bauchgefühl, die Intuition. Und auch dann läuft nicht immer alles nach Plan: Die Melancholie von "Made it here after all" weiß ein Lied davon zu singen, wie man sich manchmal durchschlagen muss, durch den Schmerz, durch das Schwarz, durch die Stille. Am Ende zählt der Überlebenswille. Wer aufgibt, hat schon verloren – egal, ob im Dorf oder in der Großstadt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Disappear
- Are we (...)?
- Iron
Tracklist
- Wild / Lights
- Meds
- Slakmore
- Disappear
- Are we (...)?
- 400 pages
- Hunter
- Made it here after all
- Iron
Im Forum kommentieren
Editor
2018-09-25 15:47:26
Damien Rice. The National.
Das ist für mich ein Pflichtkauf. Versüßt mir hoffentlich den Herbst.
VblerDD
2018-09-23 20:09:18
Schönes Ding! Gefällt.
Die Qualität der Kommentare hier war auch schon mal besser.
Armin
2018-09-19 20:45:54- Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"!
Meinungen?
eric
2018-07-05 11:53:45
Hui, "Iron" ist toll.
Jennifer
2018-07-04 22:06:54- Newsbeitrag
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