Paul McCartney - Egypt station

Capitol / Universal
VÖ: 07.09.2018
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Ankunft nach Plan

Paul McCartney hat Pop vielleicht nicht erfunden, aber ohne ihn und seine kleine Band wäre die Musikwelt eine andere. Ach, was soll's: Die Welt wäre eine andere. Nun existiert diese Band aber seit bald 50 Jahren nicht mehr. Eine verdammt lange Zeit, in der McCartney jedoch alles andere als untätig war. Sei es solo, mit Wings oder als prominenter Kollaborateur: "Macca" war und ist präsent. Welch einzigartigen emotionalen Wert sein Schaffen für Menschen noch heute besitzt, zeigt sein Gastspiel bei "Carpool karaoke". Der Sänger und Songwriter mag älter geworden sein, seinen Charme hat er jedoch nicht verloren. Seine kreative Energie ebensowenig: Mit "Egypt station" legt McCartney ein neues Album vor, das den auf "New" eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt.

Gewiss ist seine Stimme brüchiger geworden, die Melodien, die sie vorträgt, sind allerdings so einnehmend wie eh und je. Die große Kunst des Liverpoolers besteht darin, das Einfache mit dem Eingängigen zu paaren, ohne dabei primitiv zu klingen. Die im Refrain doch arg käsige Vorabsingle "Fuh you" stellt glücklicherweise eine Ausnahme dar. Ãœber weite Strecken ist "Egypt station" ein zwar unaufgeregtes, aber stilvolles Album geworden. Viele Songs erinnern an frühere Werke, vor allem das augenzwinkernd vorgetragene "Happy with you" hätte sich auf dem Weißen Album nicht verstecken müssen. Im Hinblick auf die Arrangements hat der Brite diesmal ohnehin einen konventionelleren Ansatz gewählt: Nur selten sind elektronische Elemente zu hören, Gitarre und Klavier dominieren das Klangbild. So weiß beispielsweise "Who cares" mit seinem Rock'n'Roll-Einschlag zu überzeugen.

Als Texter tappt McCartney allerdings bisweilen ins Fettnäpfchen: "People want peace" mag gut gemeint sein, kommt jedoch reichlich abgeschmackt daher. Dabei zeigen Songs wie "Confidante", welch lyrisches Gespür dem Engländer noch immer innewohnt. Wehmütig, ohne bitter zu sein, wagt er hier den Blick in die Vergangenheit. Die Rückschau auf ein bewegtes Leben birgt die Gefahr der Sentimentalität, McCartney vermeidet allzu plumpe Gefühlsduselei jedoch geschickt. Besonders dann, wenn die musikalische Grundidee tragfähig genug ist, gelingen ihm tolle Songs. "Back in Brazil" und "Dominoes" verdienen diesbezüglich lobende Erwähnung. Neue Klassiker verfasst der einstige Pilzkopf freilich nicht mehr, derlei Erwartungen sind aber auch unsinnig und gehen am Kern der Sache vorbei.

Denn im Jahr 2018 ist es zuallererst ein Glücksfall, einen nach wie vor spiel- und sangesfreudigen Paul McCartney auf dem Planeten zu wissen. Obgleich er stellenweise den Bogen überspannt, ist seinen neuen Songs jederzeit anzumerken, dass eben noch nicht alles gesagt ist. Gegen Ende des Albums häufen sich komplexere Kompositionen, aus denen "Despite repeated warnings" herausragt. Nach zurückhaltendem Auftakt steigert sich der Track von Part zu Part, bis schließlich euphorische Bläserakzente den melancholischen Beginn vergessen machen. Wer solche Songs schreibt, ist garantiert noch kein Fall für die Abteilung "Abgesang". Mit Humor, feiner Selbstironie und ungebrochenem Optimismus begegnet McCartney all jenen Kritikern und Krittlern, die ihn ins Altenheim schreiben wollen. Mögen ihm noch viele Jahre Schaffensdrang beschert sein.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Happy with you
  • Confidante
  • Despite repeated warnings

Tracklist

  1. Opening station
  2. I don't know
  3. Come on to me
  4. Happy with you
  5. Who cares
  6. Fuh you
  7. Confidante
  8. People want peace
  9. Hand in hand
  10. Dominoes
  11. Back in Brazil
  12. Do it now
  13. Caesar rock
  14. Despite repeated warnings
  15. Station II
  16. Hunt you down / Naked / C-Link
Gesamtspielzeit: 57:18 min

Im Forum kommentieren

Ringo Starr

2018-09-25 15:19:42

Man nehme das beste von "Ram", "imagine" und all things pass und lass es von George Martin produzieren...unfassbar!
Martins Wunsch war es eh Lennons Imagine zu produzieren und ja ich glaub es wäre noch besser geworden als eh schon.


Hey.

nomen est omen

2018-09-25 15:11:16

Wer erkennt die Gemeinsamkeit der Nicknames "Major" und "El Duce"?

El Duce

2018-09-25 15:00:02

Man nehme das beste von "Ram", "imagine" und all things pass und lass es von George Martin produzieren...unfassbar!
Martins Wunsch war es eh Lennons Imagine zu produzieren und ja ich glaub es wäre noch besser geworden als eh schon.

El Duce

2018-09-25 13:56:25

sag ich doch: der Zeitgeist und George Martin waren der mittelbare Teils des Beatles-Wunders

Major

2018-09-25 13:24:37

"alleine McCartneys zweiter Solo-Versuch "RAM" ist absolut fantastisch produziert."

Natürlich kann man da geteilter Meinung sein, aber auch und gerade "RAM" leidet unter einer
über weite Strecken zweitklassigen Produktion,
wobei einige Tracks wie "Uncle Albert" oder "Backseat" da heraustreten.
Einer der wenigen Lichtblicke ist dagegen "Band on the run", eine sehr typisches Beispiel für gute Produktionstechnik der 70ger.
An die klangtechnische Exzellenz von "Abbey Road" kommt aber kaum ein Album der 70ger ran, und damit meine ich ALLE.

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