Clueso - Handgepäck I

Vertigo / Universal
VÖ: 24.08.2018
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Heute hier, morgen dort

Noch einmal umdrehen und auf die Stadt blicken, welche in den letzten Tagen ein flüchtiges Zuhause geboten hat. Dann ab zum Bahnhof, ab zum Flughafen und zur nächsten Destination. Zwischen hektisch umherschwirrenden Menschen und zwei mäßig schmackhaften Milchkaffees noch die letzten Notizen für einen Song ins Buch gekritzelt oder eine Skizze ins Diktiergerät gesungen. Dabei ist nur das, was in den Rucksack passt. Wozu auch mehr? Daheim ist da, wo man eben gerade die Füße hochlegt. Thomas Hübner alias Clueso lebt diesen Stil, so suggeriert es zumindest sein achtes Album "Handgepäck I". Reisen, Rastlosigkeit und Flüchtigkeit sind die Themen, die das Korsett um die reduziert und bodenständig instrumentierten Songs zusammenhalten. Grundgerüst sind er und seine Akustikgitarre, zu der sich hier und da allerhand Ausschmückungen gesellen.

Wer Clueso immer noch in eine Ecke mit Befindlichkeitsschnöseln wie Max Giesinger oder Tim Bendzko stellt, hatte schon vorher Unrecht. "Handgepäck I" ist jedoch so ergreifend, so detailverliebt, es ist selbst in Hinblick auf die stets an Profil gewinnenden Vorgänger eine handfeste Überraschung, weit weg von Quatsch wie zuletzt seinem Feature bei Die Fantastischen Vier. Das Konzept, das Tourleben und den steten Wechsel zwischen Orten, Verkehrsmitteln und Menschen als Inspiration und Entstehungsort zu verwenden, passt zu Clueso. Er wird in seinen Texten nie zu abstrakt, gleichzeitig behält er aber stets eine poetische Ebene, welche die Belanglosigkeit mancher Kollegen weiträumig umschifft. "Wie versprochen steh ich jetzt hier oben / [...] / Man berührt mit seiner Hand fast die Wolken / Ich würd' so gerne mit Dir teilen." Geht es ums Fliegen, handelt es sich um einen Berggipfel? Oder ist das "oben" der Ruhm, metaphorisch verpackt?

Die Einflüsse auf "Handgepäck I" sind so vielfältig wie hochwertig. Ein Nick Drake darf ohnehin stets herhalten, wenn reduzierte Gitarrenballaden mit einem kleinen Kammerorchester verziert werden. Das melancholische "Einfache Fahrt" ruft dagegen mit stoischer Repetition frühe Sun Kil Moon auf den Plan. "Die nächste Stadt ist nur ein paar Schienenschläge entfernt", singt Clueso, während die Musik den Takt der Fahrt bestimmt. Das streicherlastige "Zimmer 102" hat indes den gleichen Schlaf in den Augen wie Becks "Morning phase". Nicht ganz so universell geliebt sind womöglich die Liedermacher-Referenzen Reinhard Mey oder Konstantin Wecker, deren Ästhetik in vielen Songs ein zeitgemäßes Update ohne jegliche Piefigkeit bekommt. Dass "Paris" sich für die fabelhafte Welt des Clueso Yann Tiersens Akkordeon ausleiht, ist fürs Finale Ehrensache. Auch dieser Track verzaubert wie viele andere mit einem hübschen instrumentalen Schlussteil.

"Handgepäck I" ist 18 Songs stark, wird jedoch dank launiger Zwischenstücke, elegantem Songwriting und generell wenig ausufernden Spielzeiten an keiner Stelle langweilig. "Gib mir etwas, das ich brauchen kann / Das mich einfach überrollt", fordert Clueso in "Auf Kredit", doch sein Roadtrip überwältigt weniger, als dass er leise, aber zielsicher mitten ins Herz marschiert. "Ich bin nichts weiter als 'ne Schildkröte / Trag, seitdem ich denken kann, auf dem Rücken mein Haus." So flüchtig wie die Bilder und Protagonisten der Songs sind, so schnell vertraut klingen sie. Das Versprechen, dass er bisher stückweise mit Großtaten wie "Chicago" oder rundum gelungenen Alben wie "Neuanfang" aufstellte, löst "Handgepäck I" nun vollumfänglich ein. Befindlichkeitspop? Clueso befindet sich längst in einer ganz anderen Liga.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wie versprochen
  • Einfache Fahrt
  • Zimmer 102
  • Paris

Tracklist

  1. Aufbruch
  2. Wie versprochen
  3. Vier Jahreszeiten an einem Tag
  4. Waldrandlichter
  5. Stein
  6. Einfache Fahrt
  7. Zwischenstopp
  8. Du und ich
  9. Wenn ein Mensch lebt
  10. Wüste
  11. Landstreicher
  12. Zimmer 102
  13. Kurz vor Abflug
  14. Auf Kredit
  15. Es ist schon spät
  16. Dünnes Eis
  17. Morgen ist der Winter vorbei
  18. Paris
Gesamtspielzeit: 54:10 min

Im Forum kommentieren

verne

2018-10-22 19:54:32

popstiehnefforteb rehcstued nie os hcua

jule

2018-10-22 19:49:06

auch so ein deutscher betroffenheitspop

musie

2018-10-22 19:49:04

wenn dir wie versprochen zusagt, dann wird dir das ganze album gefallen. versprochen!

hos

2018-10-22 17:56:32

Fand den Song in der aktuellen WWF Kampagne gegen Plastikvermüllung prima. Schöne Gesangslinie, vor allem im Refrain. Hab mich dann gerade ziemlich erschrocken, daß es ein Song von Clueso ist ("Wie versprochen"), denn das, was ich bislang von ihm kannte war eher mau und das, was ich von seinem Verhalten in der Öffentlichkeit mitbekam, trug nicht unbedingt zur Sympatiesteigerung bei.

Muss mal ins letzte Album reinhören, soviel steht zumindest fest.

du hast

2018-09-22 12:26:35

das verschwörungstheorie-geschwurbel vergessen, pop und hiphop wären nur von der musikindustrie zur manipulation der massen da.

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