Gulp - All good wishes

E.L.K. / Rough Trade
VÖ: 10.08.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Postkarten aus dem Krautgarten

Ganz schön kompliziert mit diesem Brexit. Zumindest für Donald Trump, der sich seinerzeit nicht entblödete, das schottische Abstimmungsergebnis tolldreist falsch mit "They took their country back" zu kommentieren, worauf Lily Allen ihm prompt ein "Scotland voted IN you moron" vor den Latz knallte. Was wohl Lindsey Leven und Guto Pryce zum Thema sagen, nachdem das zentrale Pärchen der Band Gulp seinen Wohnsitz unlängst vom walisischen Cardiff nach Glasgow verlegte, also von der einen Brexit-kritischen Teilrepublik in die andere? Wir wissen es nicht – auch wenn die redaktionsinterne Direktive ansonsten korrekterweise "Wenn wir es nicht wissen, wer dann?" lautet – und beschäftigen uns stattdessen mit dem zweiten Gulp-Album "All good wishes". Nach diesem muss nämlich niemand fluchtartig den Raum oder gar das Land verlassen.

Es sei denn, um wie Sängerin Leven im Opener "Search for your love" auf die Pirsch nach zarten Gefühlen zu gehen, sofern sie ihr nicht ohnehin von selbst zufliegen. Es wäre kein Wunder bei diesem versonnenen Dream-Pop-Song, der die space-rockige Diffusität von Airs "Sexy boy" mit der unaufdringlichen Süße von Saint Etiennes Sarah Cracknell zu einem Ohrwurm ausgesuchter Flauschigkeit verbindet. Mehr Hibbeligkeit verbreitet "Claudia" dank widerspenstigem Basslauf, lässt sich aber sogleich von sirrenden Keyboard-Schwaden und Background-Bababa aus dem Twee-Nähkästchen besänftigen. Womit der für Gulps Musik gern bemühte Begriff "Mini Kraut Pop" ein zauberhaftes Gesicht bekommt – auch wenn Pryce lieber von "Garage Space Pop" spricht. Und wer an "Surface to air" von Django Django denkt, liegt ebenso wenig falsch.

Mit dem vernäselten, zwischen Glam-Kitsch, Calypso-Mutationen oder noisigen Überfällen hindurchtorkelnden Indie-Psych von Pryces Hauptband Super Furry Animals hat "All good wishes" also allenfalls am Rande zu tun. Vielmehr wirkt dieses Album oft, als würden die britischen Folk-Rock-Blümchenkinder der ausgehenden sechziger Jahre mit großen Augen und Ohren ihre Hanfsamen in den vorsintflutlichen Analoggeräten früher Kraftwerk zerstoßen und kleine Energiebündel daraus schnüren. Etwa das durch eine sanfte Reverb-Mangel gedrehte "I dream of your song", in dem kapriziöse Drummachine und diskretes Feedback-Rauschen angeregte Zwiesprache mit bluesig tröstenden Licks halten. Der Titelsong hingegen schickt eine duftende Postkarte aus der kosmischen Synthie-Zwischenwelt: Wetter diesig, Pilze köstlich. Viele Grüße.

Doch diese nahezu körperlose Miniatur ist nur eine Verschnaufpause, bevor Gulp in der zweiten Hälfte von "All good wishes" mit dem Blick gen Himmel verstärkt nach der idealen Verschmelzung von Lieblichkeit und Rigidität, harmonischem Schwebezustand und diskretem rhythmischem Schwitzkasten Ausschau halten. Faszinierendste Sichtung: die von einem beharrlichen Motorik-Beat und kratzenden Riffs angetriebene Vorabsingle "Morning velvet sky", der die elektronischen Melodiebüschel förmlich aus dem Ohr wuchern. Das ähnlich pumpende "Ride" führt zusätzlich unterschwelligen Fuzz ein, während Leven milde über Hitze, Geister und innere Heimkehr sinniert. Alle anderen sollten schweigen und genießen – denn wer wollte zu diesen wunderbar tiefenentspannten Popsongs schon irgendwelche dummen Sachen sagen?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Search for your love
  • Claudia
  • Morning velvet sky
  • Ride

Tracklist

  1. Search for your love
  2. Claudia
  3. Spend time right here with you
  4. I dream of your song
  5. Beam
  6. All good wishes
  7. Morning velvet sky
  8. Following rain
  9. Ride
  10. Watching ships
  11. Silver tides
Gesamtspielzeit: 41:11 min

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Armin

2018-08-05 19:12:12- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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