Stella Sommer - 13 kinds of happiness

Affairs Of The Heart / Indigo
VÖ: 10.08.2018
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wintergefühle

Manch einer mag es eisern bestreiten, doch natürlich gibt es sie: Musik, die zu bestimmten Jahreszeiten besonders gut funktioniert. Songs und Sounds also, die die saisonal vorherrschende Stimmung einfangen und ihr eine Klangmanifestation verleihen. Stella Sommer, ihres Zeichens Frontfrau der hoch gehandelten Hamburger Indierock-Band Die Heiterkeit, macht – entgegen ihres Nachnamens – Musik für die außerordentlich kalten Tage des Jahres. Dies mag an ihrer frostig tiefen Stimme liegen oder an den kühlen, schattigen Arrangements. Ganz genau wird man dies aber wohl nicht aufschlüsseln. Fakt ist letztlich: Ihr Solodebüt "13 kinds of happiness" erscheint entweder sechs Monate zu früh oder zu spät. Oder, wenn man antizyklisch denkt: gerade genau richtig.

Denn: Draußen tobt der Hochsommer mit all seinen bedrückenden Begleiterscheinungen. Sonnenbrand und Mückenplagen, Deutschlandflaggen und der Geruch verbrannten Grillguts könnten einem die Laune verderben, wäre sie doch nur vorher gut gewesen. War sie aber nicht. So oder so: "13 kinds of happiness" kühlt die Zimmertemperatur mal gleich auf muckelige 13 Grad herunter. So spart man sich schon mal das Eis oder den kalten Waschlappen im sonnenverbrannten Nacken. Sommers Songs changieren dabei zwischen Zärtlich- und Bitterkeit, sind meist karg instrumentiert und leben vor allem von der prominent platzierten Stimme, die freilich an Nico erinnert, manchmal aber auch an den hochgeschlossenen Gesang strenger Musiklehrerinnen in der Unterstufe.

Das von einem Piano getragene "Light winds" kommt dabei noch relativ leichtfüßig daher, Sommers Stimme tropft blutrote Tintenkleckse aufs luftige Arrangement, und nach zwei Minuten ist alles gesagt, was zum Thema Sehnsucht gesagt werden muss. "Dark princess, dark prince" rockt unter freundlicher Mithilfe einer fidelen Heimorgel düster, aber freundlich los, die Drums rollen sich langsam in den Vordergrund, rangeln mit der Orgel, während Sommer, wie eigentlich immer, die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und in "Do you still love me now?" stellt die Künstlerin sich die titelgebende Frage, Handclaps lockern das Szenario auf, lassen alles a bisserl weniger ernst erscheinen, als es ohnehin nicht gemeint ist. Der geisterhafte Backgroundchor unterstreicht diesen Eindruck: Sommer zweifelt an der Liebe, genießt diesen Schwebezustand jedoch. Eine eindeutige Antwort auf ihre Frage würde letztlich nur stören.

"13 kinds of happiness" ist natürlich keine besonders glückselige Platte, auch wenn es Momente der Freude gibt: Wenn beispielsweise Tocotronics Dirk von Lotzow in "Birds of the night" losbrummt oder "We love you to death" auf orgeligen Schwingen gen Nachthimmel rauscht. Ansonsten dominieren jedoch die dunklen Farben und Töne. "Collapse / collapsing" erinnert in Klang und Stil zunächst an Fleetwood Mac, entscheidet sich dann aber doch anders und fährt am Ende tolle Bläser auf. Und das abschließende "Hierhin kommt der Teufel" bricht mit dem Konzept der Fremdsprachigkeit, dramatische Klavierklänge untermalen Sommers exaltierten Vortrag. Die Körpertemperatur sinkt derweil weiter. Die Wärme weicht. Zeit für die erste Wärmflasche der Saison.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Light winds
  • Birds of the night
  • Collapse / collapsing

Tracklist

  1. 13 kinds of happiness
  2. We love you to death
  3. Light winds
  4. Do you still love me now?
  5. Dark princess, dark prince
  6. Birds of the night
  7. I had no idea
  8. For a loner
  9. A certain glow
  10. Boat on my river
  11. Collapse / collapsing
  12. I take an interest
  13. Hierhin kommt der Teufel
Gesamtspielzeit: 42:49 min

Im Forum kommentieren

yanqui

2018-08-11 11:59:12

Songwriterisch ja eigentlich ganz nett, aber das Englisch geht überhaupt nicht, macht das Album fast unhörbar. Da ist sie auch weit von Nico entfernt, die sie hier ja offensichtlich zu imitieren versucht.

Armin

2018-07-29 20:32:22- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Pole

2018-06-01 10:18:20

@funky

Du hast vollkommen Recht. Es geht mir einzig darum, dass man, wenn man Steuergelder (also letztlich Subventionen) Deutschlands beansprucht, man nicht gleichzeitig zur linken Anti-Staats-Szene gehören sollte.

Also: Entweder Deutschland verrecke ODER das alles hier ganz okay finden und Subventionen abgreifen.

Ich sage nicht, dass Stella Sommer eine Antideutsche ist, aber die Richtung stimmt schon :-)

funky

2018-06-01 09:18:13

@ermußeswissen, @pole: Wie soll das denn heutzutage sonst finanziert werden? Alben kauft niemand mehr und über spotify, youtube können sich die Musiker wenn es hochkommt vielleicht alle 3 Jahre mal eine Milchschnitte kaufen....Könnt ihr ja mal überlegen, was ihr schlimmer findet: wenn Fördergelder verwendet werden oder wenn gar keine Alben von Bands die nicht bei Universal oder Sony sind mehr erscheinen. Viel Spass mit Tim Bendzko, Helene Fischer usw.

Pole

2018-05-30 18:20:23

Geil, habe ich auch gerade gedacht. Steuermittel nehmen sie natürlich gerne an

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