Gabe Gurnsey - Physical
Phantasy / [PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 03.08.2018
Auf die Piste
Sie gehen gern tanzen? Dann kennen Sie das ja: Im Wohnzimmer erst mal all die Platten rauskramen, die der DJ im Verlauf des Abends ohnehin nicht spielt, dazu ein durstlöschendes Getränk, von denen es später noch das eine oder andere zu viel geben wird, wenn man sich erstmal inmitten zahlreicher anderer Leiber unter dem Stroboskop befindet. Schließlich entweder sich angetütert nach Hause chauffieren lassen oder den Heimweg mit einer Flasche in der Hand antreten, die man irgendwo halb voll stehen lässt. Am nächsten Tag dann verschwitzte, aber dank Raucherschutzgesetz immerhin nicht verqualmte Klamotten, ein Kopf, der bis zur nächsten Straßenlaterne reicht und die Überzeugung: Nie wieder Clubnacht! War doch etwas zu "Physical", das Ganze. Und jünger wird man ohnehin nicht. Aber Kopf hoch: Gabe Gurnsey hat da mal was vorbereitet.
Und zwar eine, nun ja, Clubnacht. Im handlichen Albumformat unter einer Stunde und garantiert ohne klebrig-süße Energydrinks. Man muss nämlich wissen, dass sich Gurnsey normalerweise als Reduktionskünstler beim Elektronik-Duo Factory Floor verdingt, das sich von jeher durch kargen Minimalismus auszeichnet und dem alten Affen Harmonie oder gar Melodie so gut wie keinen Zucker gibt. Und auch wenn der Brite für "Physical" nun solo auf die imaginäre Piste geht und dabei praktisch durchgängig so etwas wie Gesang bemüht, hat er einen berufenen Kollegen dabei: Produzent und Schrauber-Koryphäe Erol Alkan, der sich nach dem Kraut-Ausflug mit Beyond The Wizard's Sleeve wieder hinter die Regler setzte und auf dessen Label Gurnseys Solodebüt auch erscheint. Falls sich jemand fragt, woher der "Ultra clear sound" des Openers kommt.
Der ist zudem ein funkelndes Stück synthetischer Pop inklusive frechen Keyboard-Gesprotzes und aus allen Ecken vorbeizischenden Stimmfetzen, das trotz leichter Geradeauslauf-Probleme für die ersten Zuckungen in der schwülen Zappelbude sorgt. Hier heißt es genauso allmählich auf Touren kommen und sich eingrooven wie bei "You can", das dank schlankem Basslauf und verklöppeltem Disco-Beat auch von einer Allstar-Band des DFA-Labels stammen könnte, würde diese sich gerade über Indeeps "Last night a DJ saved my life" hermachen. "You can dance while I get high", raunt Gurnsey dem Hörer vom Rande der Tanzfläche zu – wohl wissend, dass es spätestens bei den Knatter-Synthies und spitzfindigen Percussions des Factory-Floor-nahen "Harder rhythm" auch für ihn kein Halten mehr geben dürfte. Monotonie verpflichtet.
Der Club, in dem Gurnsey seine abwechselnd verschachtelten, industriell klackernden und unerbittlich nach vorne gehenden Stücke abfackelt, könnte dabei an vielen Orten stehen: Techno-Hochburgen wie Chicago oder Detroit referenziert "Physical" ebenso wie rigiden Electro-Funk britischer Prägung, wie er in "New kind" oder "Heavy rubber" durchscheint – Tracks, die einst auch aus der legendären Hacienda in Manchester hätten wummern können. Trotzdem verleugnet dieses vorzüglich dynamische Album nie seine Keimzelle, holt im dubbigen "Sweet heat" und dem grummelnden Abschluss "The last channel" zu entrückten weiblichen Vocals kurz Post-Punk aus der Auflegekiste, während "I get" und "Eyes over" mit scharfem Uptempo ähnlich Druck machen wie die besten Momente von "25 25". Da könnte man glatt mal wieder – tanzen gehen?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ultra clear sound
- You can
- Harder rhythm
- Eyes over
Tracklist
- Ultra clear sound
- You can
- Temazzy
- Harder rhythm
- Sweet heat
- New kind
- Heavy rubber
- In states
- I get
- Version
- Eyes over
- AM crystal
- Night track
- The last channel
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Armin
2018-07-29 20:29:48- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Gabe Gurnsey - Physical (1 Beiträge / Letzter am 29.07.2018 - 20:29 Uhr)