Foxing - Nearer my God
Triple Crown / IndigoVÖ: 10.08.2018
Zwischengepolt
Klare Pole, eindeutige Schubladen, konkrete Definitionen, absehbare Visionen: Die meisten Menschen brauchen im Alltag eine gewisse Ordnung, neigen zu festen Kategorien, zu einem vertrauten, weil gewohnten Verhalten. Mit schwebenden Zuständen, offensichtlichen Grauzonen, unkalkulierbaren Entwicklungen oder Prozessen kommen sie nicht immer klar. Das Leben scheint sich daher immer stärker nur darum zu drehen, sich möglichst an- oder einzuordnen, sich abzuwenden oder sich klar zu positionieren. Dabei liegt Kunst bekanntlich nicht nur im Auge des Betrachters, sie benötigt gerade abseits des Augenscheinlichen auch undefinierten wie freien Raum, um zu wirken. Eine Band wie Foxing verlangt dem Hörer vor diesem Hintergrund durchaus etwas ab.
Für diese Grundthese liefert der dritte Longplayer der Band aus St. Louis, Missouri gleich mehrere stichhaltige Argumente. Nicht nur jenes, dass diese üppigen fast 55 Minuten ihres dritten Albums "Nearer my God" pickepacke vollgestopft sind mit Ideen. "Grand paradise" setzt bereits zum Auftakt ein mittelschweres Ausrufezeichen, startet sanft mit Beat, Keyboard und Kopfstimme, schraubt sich in der Folge dann zu einem emotionalen Popsong mit Refrain-Gewitter in alle nur erdenklichen Höhen. Ähnlich zart baut die Vorab-Single "Slapstick" den zunächst subtil auf Pop- und R'n'B-Flokati errichteten Spannungsbogen, bevor Foxing ihrem Talent für hymnische Emorock-Songs freie Fahrt gönnen.
Obwohl "Nearer by God" allgemein großen Wert auf Harmonien und Schönklang legt, muss der Hörer sich beides angesichts einer Vielzahl an geschichteten Sounds und stellenweise vertrackter Rhythmik auch immer wieder erarbeiten. Eine Ausnahme bildet der in Melancholie badende Titelsong, welcher trotz elektronischer Effekte sein Folk- und Emo-Herz zu keiner Sekunde verbergen mag. Und da mit gut dreieinhalb Minuten als einziger Track recht knackig, hat die Band das schöne Stück gleich in mehreren Sprachen aufgenommen. Kayal-Jünger früherer Tage freuen sich über "Bastardizer", das Pop und Emo mit ein paar beherzten Akkordeon-Schwüngen nahezu nordisches Flair verleiht. Wer Math-Rock zugeneigt ist, wird das Sound-Gedonner in "Lich prince" und das leicht am Rad drehende "Gameshark" schnell ins Herz schließen. Faszinierend ist das von Chris Walla akustisch mit in Szene gesetzte Album aber vor allem deswegen, weil die Musiker ihre Ideen am langen Faden steuern, die Figuren frei durch Folk- und Piano-Pop-, kratzige Emorock- und zart-süßlich riechende R'n'B- und Electronica-Landschaften gleichzeitig wandern lassen, und sie am Ende wieder vereinen.
So verwundert es fast ein wenig, wenn sich das neunminütige, in der ersten Hälfte epochal gute "Five cups" relativ ungeniert bei Sigur Rós bedient und am Ende dann doch glatt vergisst, das Konzert der famosen Isländer wieder zu verlassen. Und während Sänger Conor Murphy meist mit zarter Kopfstimme agiert, vor schnaubenden Shoutings aber nicht zurückschreckt, bestimmt er maßgeblich für die jeweilige Stimmung der Songs mit. Und längst sticheln Foxing zum nächsten Genre-Clash an und positionieren das feine, melodieselige "Heartbeats" als elektronisch angehauchtes Kleinod irgendwo zwischen Alt-J, Everything Everything und Foals. Nur eine von zahlreichen kreativen Visionen auf "Nearer my God", die sich in der Zukunft vielleicht noch genauer finden werden – irgendwo zwischen den Polen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Grand paradise
- Slapstick
- Nearer my God
- Heartbeats
Tracklist
- Grand paradise
- Slapstick
- Lich prince
- Gameshark
- Nearer my God
- Five cups
- Heartbeats
- Trapped in Dillard's
- Bastardizer
- Crown candy
- Won't drown
- Lambert
Im Forum kommentieren
Kai
2021-09-22 20:14:15
Grand Paradise ist einfach so ein guter Opener und Slapstick danach eines ihrer besten Stücke.
Mir gefällt der erste Teil der Scheibe etwas besser aber insgesamt einfach ein richtig gutes Album.
Akim
2021-08-31 19:13:36
Für mich ihre stärkste Platte. Hatte das Glück die Band live zu sehen.
Ralph mit F
2021-08-22 22:08:37
Jepp.
"Nearer my God" ist in meinen Augen sogar noch ein Bisschen stärker als "Draw down the moon" und würde sich demnach sogar im 9er-Bereich bewegen.
Pivo
2021-08-22 21:47:51
Heute mal wieder angehört. Immer noch genial. Abwechslung pur. Mit der 7/10 damals in meinen Augen sogar deutlich unterbewertet. Hier stecken in einzelnen Songs mehr Ideen drin als andere Bands in ihren ganzen Leben hinbekommen. Stark.
MartinS
2021-04-15 21:58:12
Guter Song. Die dürfen ruhig völlig frei drehen, kommt bestimmt was Gutes bei raus.
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