Deaf Wish - Lithium Zion

Sub Pop / Cargo
VÖ: 27.07.2018
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Untote Unruhe

Rock ist tot. Mausetot. Das Feuilleton kehrt zu diesem Motiv immer wieder gerne zurück, bietet die im Gegensatz zu anderen Genres tatsächlich etwas an Innovationsarmut krankende klassische Gitarrenmusik ja auch eine dankbare Trägerfläche dafür. Dennoch hinkt dieser Vergleich ganz gewaltig, weil die totale Abkehr vom Alten eben kein inhärentes Merkmal von Lebendigkeit darstellt – schließlich ist auch nicht jeder neugeborene Mensch komplett anders als jeder vor ihm. Bands wie Deaf Wish haben genau das verinnerlicht und mit ihrem letzten Album "Pain" der Welt eine Noise- und Punk-Rückschau der letzten 40 Jahre vor die Füße gerotzt, die mit ihrer Wagenladung voll Power und Selbstbewusstsein Attribute wie "tot" der Lächerlichkeit preisgab. "Lithium Zion", ihr fünftes Album insgesamt und das zweite auf einem großen Label, setzt genau hier an. Mit seinem mehrgeschlechtlichen Wechselgesang und der Verbindung aus Krach-Gitarren und Melodieverliebtheit erinnert es vor allem an eine ganz bestimmte, legendäre Band, denn selten wurde in jüngerer Vergangenheit der Geist von Sonic Youth so gut eingefangen wie von diesem australischen Vierer.

Um das konstatieren zu können, reicht eigentlich schon der Opener "Easy". Eine Gitarre macht dissonanten Lärm, die andere spielt ein prägnantes Riff und der stimmlich ziemlich genau zwischen Thurston Moore und Iggy Pop platzierte Jensen Tjhung muss mit einem eingängigen Refrain das Ganze als Song zusammenhalten – zumindest bis er sich einem mächtigen Instrumental-Finale ergibt, das sechssaitige Wände dick wie Beton hochzieht. Im folgenden "FFS" lebt Gitarristin Sarah Hardiman ihre innere Kim Gordon aus, in einem zweiminütigen No-Wave-Brocken voll von destruktiver Energie. "Give me the hammer", fordert sie da irrerweise, als bräuchten diese Frau und ihre Mitmusiker noch ein zusätzliches Werkzeug, um alles um sie herum einzureißen. In der nächsten Viertelstunde baut sich dann ein Spannungsfeld aus kurzen Punk-Granaten um das epische "The rat is back", während auch Bassist Nick Pratt und Drummer Daniel Twomey mal ans Mikro dürfen. Beide haben sie zwar nicht das Charisma des Frontduos, doch der ständige Personaltausch fügt "Lithium Zion" noch zusätzliche Momente der Frische und Unvorhersehbarkeit hinzu.

So gut das Album bis hierhin schon ist, es dauert noch bis ins Schlussdrittel, bis es die höchsten Höhen seiner Klasse offenbart. "Deep blue cheated" poltert als straighter Noise-Rocker los, bis Hardiman, die generell die markanteste Stimme dieses letzten Akts darstellt, mit einem Spoken-Word-Part das Ruder an sich reißt und sich gemeinsam mit ihren Kollegen in einen an Intensität kaum zu überbietenden Sog hineinsteigert. "Afraid for you" übt sich in windschiefem Pop und dreht mitten im Song die Lautstärkeregler plötzlich ganz runter, "Smoke" darf sich als psychedelischer Closer noch einmal komplett den Gitarren-Exzessen hingeben. Der Dreck und die rohe Power sind zwar geblieben, doch in diesen finalen Stücken geben Shoegaze-Melancholie und Post-Punk-Pathos den Ton an. Man braucht keinen Hehl daraus zu machen: Alles, was Deaf Wish auf "Lithium Zion" treiben, lässt sich klaren Referenzpunkten der Musikhistorie zuschreiben, doch zu einem Selbstverständnis als eigenständige Künstler steht das in keinster Weise im Widerspruch. Dass eigentlich Totgeglaubtes doch putzmunter sein kann, ist eben nicht nur Frankenstein und Zombie-Filmen, sondern auch ein paar australischen Instrumenten-Schredderern vorbehalten. Rock lebt.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Easy
  • Deep blue cheated
  • Afraid for you
  • Smoke

Tracklist

  1. Easy
  2. FFS
  3. Metal carnage
  4. The rat is back
  5. Ox
  6. Hitachi jackhammer
  7. Lithium Zion
  8. Deep blue cheated
  9. Birthday
  10. Afraid for you
  11. Smoke
Gesamtspielzeit: 37:48 min

Im Forum kommentieren

wilson (ausgeloggt)

2018-07-27 19:56:21

"lithium zion" haut mich jetzt nicht direkt vom hocker...hat aber etwas an sich, das mich am ball bleiben lässt...bin mir sicher, da geht noch was!

wilson (ausgeloggt)

2018-07-17 18:50:36

bin gespannt...der vorgänger "pain" gehört für mich zu den highlights des jahres 2015!

Test

2018-07-17 17:37:00

J.ude

I.srael

Z.ionist

Die weisen von Zion

Armin

2018-07-17 16:38:35- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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